Niedrigzins? Preiskampf? Düstere Perspektiven? Von wegen: Auf der Finanzvermittlermesse DKM reden sich die Versicherer die Krise schön – und polieren mit dem Hang zur Bodenständigkeit ihr angekratztes Image nach dem Ergo-Skandal wieder auf
Katrin Berkenkopf, Herbert Fromme
und Anja Krüger, Dortmund
Um 10 Uhr liegt die Wartezeit bei 45 Minuten, um 11 Uhr geht nichts mehr. Das blaue Zelt am Stand der Nürnberger Versicherungsgruppe ist für den Rest des Mittwochs ausgebucht. Verbissen kämpfen Makler und Versicherungsmitarbeiter darum, die dunkelhaarige Frau mit dem weißen Gewand einen Blick in ihre Hände und ihre Zukunft werfen zu lassen. Wahrsagerin Cara ist eine der großen Attraktionen der Finanzfachmesse DKM in Dortmund, zu der sich 19 000 Vermittler, Versicherer, Fondshäuser und Softwareanbieter angemeldet haben.
Nicht ganz so umkämpft ist der Zugang zu einer Podiumsdiskussion mit gleich vier Vorstandschefs großer deutscher Versicherer. Die Vormänner von Allianz, Axa Deutschland, Gothaer und HDI-Gerling Deutschland treten an, den anwesenden Vermittlern die mögliche Furcht vor den Folgen der aktuellen Finanzkrise für ihre Branche zu nehmen.
Man kann darüber streiten, was die größere Haltbarkeit hat: die Vorhersagen der Wahrsagerin oder die der vier Versicherungschefs. „Düstere Zukunftsperspektiven für die deutsche Versicherungswirtschaft?“ hatten die DKM-Macher die Debatte überschrieben. Die Runde will jedoch von „düster“ nichts wissen. „In der Lebensversicherung haben wir einen Rückgang des Einmalbeitrags, sind aber im Geschäft gegen laufenden Beitrag gut unterwegs“, sagt Markus Rieß, Chef der Allianz Deutschland. Die Krise habe wenig Auswirkungen auf die Lebensversicherung. „Wir sind Opfer der öffentlichen Meinungsbildung“, sagt Rieß. Die Altersvorsorge sei auf 30 Jahre Sparen ausgelegt. „Das ist unabhängig von Kapitalmarktschwankungen.“
Acht bis zehn Jahre könne die Branche die gegenwärtigen Niedrigzinsen aushalten, sagt Axa-Deutschlandchef Frank Keuper. Es gebe neben den Kapitalerträgen auch Risikogewinne als Ertragsquellen, betont Gothaer-Vorsteher Werner Görg. Und was passiert, wenn Banken kollabieren? „Wenn die Welt untergeht, haben wir alle miteinander ein Problem“, antwortet HDI-Gerling-Chef Heinz-Peter Roß. Auch die Aktienkrise 2001 und die Bankenkrise 2008 hätten die Versicherer gut ausgehalten.
Jedenfalls in einem Punkt hat die Branche rasche Lernfähigkeit bewiesen: Nach dem Sexskandal um Ergo gibt es keinen Aussteller, der bei der DKM mit viel nackter Haut wirbt – das war 2010 noch anders. Damals versprach der große Maklerpool Fondsfinanz „noch mehr Frischfleisch“. Schöne Frauen werden aber auch 2011 gern beschäftigt. So wie Aline Tausch, die im gelben Kleidchen und hochhackigen weißen Schuhen Umhängetaschen verteilt. Der Versicherer VHV hat eine ganze Riege gut aussehender Hostessen engagiert, die sich bei der DKM zu einer Art Klassentreffen einfinden. Sie alle haben bei Heidi Klums Sendung „Germany’s next Topmodel“ auf Pro Sieben mitgemacht. „Bei der Frauenquote hier fällt man als Frau gleich positiv auf“, sagt Tausch.
Der Versicherer Standard Life schickt Hostessen im Stewardessen-Look mit kurzen Röcken durch die Hallen. Die Generali hat sieben Damen im schwarzen Kleid mit Schärpe auf der Messe, die mit Krönchen im Haar Schönheitsköniginnen darstellen. Auch sexy, aber bodenständiger gibt sich die Itzehoer. „Kräuterfee“ steht auf den grünen T-Shirts der Botschafterinnen, die Besucher an den Stand des kleinen Versicherers locken sollen. Die Allianz dagegen hat die angeheuerten Damen in unverdächtige blaue Overalls gesteckt. Züchtig präsentiert auch Ergo seine Messehostessen, in Ergo-roten Kostümen mit halblangem Rock.
Quelle: Financial Times Deutschland
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