Industrie- und Rückversicherer betroffen // Japanische Industrie erleidethohe Schäden
Herbert Fromme , Köln
Die Fluten in Thailand wachsen sich zu einer Milliardenkatastrophe für die Versicherungswirtschaft aus. Über die genaue Höhe des versicherten Schadens gibt es noch nichts Verlässliches. Thailands Versicherungsaufsicht spricht in einer ersten Schätzung von 6,5 Mrd. Dollar (4,8 Mrd. Euro), aber Versicherer und Makler schätzen den Schaden eher auf über 10 Mrd. Dollar. In erster Linie sind nicht die thailändischen Gesellschaften betroffen, sondern japanische Anbieter, global agierende Industrieversicherer sowie Rückversicherungskonzerne.
Die größten japanischen Schaden-versicherer mussten deshalb am Freitag die Gewinnerwartung für das Geschäftsjahr 2011/12 senken, das im April begann. Mitsui Sumitomo rechnet mit 130 Mrd. Yen (1,25 Mrd. Euro) Schäden aus den thailändischen Fluten, Tokio Marine mit 100 Mrd. Yen.
Eine ganze Reihe japanischer Industriekonzerne hatte nach dem Erdbeben und dem Tsunami vom 11. März 2011 die Produktion ausgelagert. Thailand stand dabei ganz oben auf der Liste der alternativen Standorte. 450 japanische Firmen haben Anlagen in den sieben Industrieparks in Thailand, die überflutet sind.
Ein Großteil dieser Fabriken steht unter Wasser. Alle Parks sind mit Flutmauern geschützt, die aber den Wassermassen der jüngsten Überschwemmungen nicht standhielten. „Jetzt haben sie den merkwürdigen Effekt, dass das Wasser wie in einem Swimmingpool steht und nur sehr langsam abfließt“, sagte Andreas Shell, Schadenschef Sachversicherungen bei der Allianz Global Corporate & Specialty. Entsprechend schwer sei es, Schäden überhaupt zu sichten.
Die Folge: Autoherstellern fehlen Teile, die Computerindustrie leidet unter einem Mangel an Festplatten. Deren Großhandelspreise haben sich in den vergangenen sechs Wochen mehr als verdoppelt. Der Elektronikkonzern Sony verschob vergangene Woche die Markteinführung seiner neuen Kameraserie NEX-7 und verpasst so das wichtige Weihnachtsgeschäft.
In Europa rechnen Rückversicherer wie Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück mit Belastungen, außerdem Industrieversicherer vom Schlage der AGCS, Zurich und HDI-Gerling. Bei ihnen dürften vor allem internationale Kunden Ansprüche stellen.
Die deutsche Wirtschaft hat dagegen bislang kaum Schäden mitgeteilt. „Wir haben bislang keine Schadenmeldungen von deutschen Industriekunden gesehen“, sagte Sven Erichsen aus der Geschäftsführung des Großmaklers Aon. Auch Allianz-Mann Shell hat noch keine Meldung deutscher Unternehmen, wohl aber aus Österreich und anderen europäischen Ländern
Firmen außerhalb Thailands könnten Schäden anmelden, wenn sie selbst in dem südostasiatischen Land produzieren und Fabriken dort beschädigt sind oder stillstehen – oder weil Teile fehlen und deshalb die Produktion in anderen Ländern unterbrochen werden muss. Der britische Elektronikhersteller Pace, der Decoder und Festplattenrekorder für den Fernsehempfang baut, gab am Donnerstag eine Gewinnwarnung ab. Grund: Es sei unklar, wie viel Festplatten der Zulieferer Western Digital liefern könne und zu welchem Preis.
„Solche Schäden werden uns sehr spät mitgeteilt“, sagte Shell. „Die Unternehmen arbeiten zunächst ihre Lagerbestände ab und suchen alternative Lieferanten, erst wenn das nicht klappt, beanspruchen sie die Betriebsunterbrechungsdeckung.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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