Versicherer und ADAC lehnen Notrufpläne der Hersteller ab // Beschwerde beiEU-Kommission
Herbert Fromme , Köln
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und der größte deutsche Automobilklub ADAC intervenieren nach FTD-Informationen gemeinsam bei der EU-Kommission, um weitreichende Pläne der Autohersteller für das neue EU-weite Notrufsystem E-Call zu stoppen.
Versicherer und Autoklub fürchten, dass die Hersteller alle Servicebereiche rund um den Pkw kontrollieren wollen – weil sie mit dem Neuwagen immer weniger verdienen. Schon jetzt vertreiben die Autobauer Versicherungen und Finanzierungen mit den Autos, wollen Unfallwagen unbedingt in Vertragswerkstätten lotsen und auch an der Nothilfe verdienen.
Das E-Call-System soll ab 2015 in alle Neuwagen eingebaut werden. Bei einem Unfall oder einer Panne ruft ein eingebauter Mobilfunksender automatisch die EU-weite Notrufnummer 112 an und überträgt Daten über den Standort an Notrufzentralen. Alternativ kann der Fahrer selbst den Notruf auslösen. Dagegen haben GDV und ADAC nichts einzuwenden. Problematisch ist für sie, dass Hersteller mit dem E-Call-Modul Anrufe an eigene Notrufzentralen programmieren können, die anstelle des 112-Notrufs ausgelöst werden. Der ADAC sorgt sich daher darum, dass er als Pannenhelfer künftig von herstellereigenen Diensten ausgebremst werden könnte. Die Assekuranz fürchtet indes, dass Unfallfahrzeuge prinzipiell in die Vertragswerkstätten der Hersteller gelotst werden, die oft teurer sind als Reparateure der Versicherer.
„Wir führen Gespräche bei der Generaldirektion Wettbewerb der EU“, bestätigte Jens Bartenwerfer, Leiter des Bereichs Kraftfahrtversicherung beim GDV. „Wir sind dafür, dass letztlich der Kunde entscheiden kann, wohin seine Daten gehen.“
Normalerweise sind sich GDV und ADAC spinnefeind. Die Autoversicherer bieten seit Jahren Schutzbriefe an, die denen des ADAC Konkurrenz machen. Der Verband gründete daraufhin einen eigenen Autoversicherer. Auf Autobahnen und Straßen konkurrieren die gelben Pannenfahrzeuge des ADAC mit ähnlichen Angeboten der Versicherer. Doch gegen die Autobauer sind sie sich einig und haben gemeinsam einen Brief an Neelie Kroes geschrieben, Vizepräsidentin der EU-Kommission und für digitale Angelegenheiten zuständig. Darin fordern sie mehr Wettbewerb beim E-Call.
„Wir sehen das Risiko, dass Autohersteller den Zugang zu den Telematikdiensten und den entsprechenden Informationen monopolisieren“, schrieben GDV-Präsident Rolf-Peter Hoenen und sein ADAC-Kollege Peter Meyer bereits im Oktober an Kroes. „Andere Marktteilnehmer können leicht draußen gehalten werden, sodass die Kunden überhaupt keine Wahl haben.“ Bei Unfällen und Pannen gebe es verschiedene Interessenten, die ihre Dienstleistungen anbieten wollten, darunter Hersteller, Autoklubs und Versicherer. „Aber da die Autohersteller die Systeme installieren, könnten sie den Zugang kontrollieren.“ Die Folge: „Autobesitzer könnten mit höheren Gesamtkosten belastet werden.“ Die EU-Kommission solle unbedingt die freie Wahlmöglichkeit für die Kunden sicherstellen und entsprechende Regeln festschreiben.
Kroes reagierte zurückhaltend, aber nicht ablehnend. Die Kommission teile die Ziele des freien Wettbewerbs auch in dieser Frage. „Die Komission plant, alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, um Kunden eine freie Auswahl sowie verschiedenen Akteuren wie Dienstleistern und Reparaturwerkstätten einen offenen Zugang zu sichern“, schrieb Kroes Ende November an GDV und ADAC. Das könne bei den E-Call-Geräten eingerichtet werden, „vorausgesetzt, dass deren Sicherheit und Funktionalität gesichert sind“.
Quelle: Financial Times Deutschland
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