Versicherer prüft Übernahmen angeschlagener Rivalen // Eigener Gewinn deutlich eingebrochen
Herbert Fromme , München
Trotz des scharfen Gewinneinbruchs im Jahr 2011 will der weltgrößte Versicherer Allianz die Notlage von Rivalen und Banken infolge der Finanzkrise für Zukäufe nutzen. Jahrelang hatte der Konzern Übernahmen skeptisch gesehen und das mit der Einführung der neuen EU-Aufsichtsregeln Solvency II begründet – ihre Wirkungen seien schwer einzuschätzen. „Diese klären sich jetzt nach und nach“, sagte Allianz-Chef Michael Diekmann am Donnerstag zu den Unsicherheiten durch die Vorschriften. „Gleichzeitig ergeben sich infolge von Geschäftsmodelländerungen der Banken oder aufgrund krisenbedingter Schwächen von lokalen Wettbewerbern neue Gelegenheiten.“
Zahlreiche europäische Banken verkaufen gerade ihre Versicherungstöchter. Einige mussten von Regierungen gerettet werden – die Europäische Kommission genehmigte diese Unterstützung nur unter der Auflage, dass sie Geschäftsteile verkaufen. Andere benötigen mehr Eigenkapital und verkaufen deshalb. Die spanische Bank Santander hat gerade ihre Versicherer in Lateinamerika an die Zurich verkauft, die niederländische ING plant die Trennung von Assekuranzaktivitäten, die britische Bank Lloyds will ihre Töchter in der Versicherungsbranche abgeben.
Diekmann sagte, die Allianz werde Übernahmemöglichkeiten genau prüfen, auch wenn es keinen „unbedingten Handlungsbedarf“ gebe. An der angeschlagenen Fondiaria in Italien sei die Allianz „nicht als Ganzes“ interessiert, sagte Diekmann und ließ damit die Möglichkeit der Übernahmen von Teilen der Gruppe offen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Allianz durch die Übernahme angeschlagener Konkurrenten wächst. Wie ernst es Diekmann damit ist, werden die nächsten Monate zeigen. Auf jeden Fall sorgt die Ankündigung dafür, dass die Allianz als starker Konzern dasteht und seine eigenen, in den Zahlen für 2011 evidenten Schwächen in den Hintergrund rücken. Der Versicherer musste 2011 einen Gewinnrückgang um satte 46 Prozent von 5,2 Mrd. auf 2,8 Mrd. Euro hinnehmen. Hauptgrund waren Wertminderungen aus griechischen Staatsanleihen sowie Bankpapieren und Aktien. Der vom Konzern selbst definierte operative Gewinn belief sich auf 7,9 Mrd. Euro, fünf Prozent unter den 8,2 Mrd. Euro des Vorjahrs. Die Dividende will der Konzern dennoch bei 4,50 Euro je Aktie halten. Die Naturkatastrophen – in erster Linie in Thailand, Australien, Neuseeland und den USA – belasteten den Versicherer 2011 mit 1,8 Mrd. Euro, das waren 500 Mio. Euro mehr als im Vorjahr.
Diekmann gab erneut eine Vertrauenserklärung für Italien ab. Der Konzern hält 26 Mrd. Euro in Staatsanleihen des Landes. „Ökonomisch wäre es vernünftig, das Exposure zu erhöhen“, sagte er. „Wir tun das nicht, um die Investoren nicht zu verunsichern.“ Das beziehe sich vor allem auf Anleger aus den angelsächsischen Märkten. Der Allianz-Chef sieht kein Ende der Finanzkrise: „Sind wir raus aus dem Sturm? Ich glaube nicht.“ Die vielen beschlossenen Initiativen müssten jetzt auch umgesetzt werden. Es gehe um Wachstum, auch für Griechenland. Er selbst habe früh einen Marshallplan für das Land gefordert. Die Allianz sieht er „sehr gut auf 2012 vorbereitet“. Beim operativen Gewinn rechnet Diekmann mit einer leichten Steigerung im laufenden Jahr. Zum erwarteten Jahresergebnis sagte er nichts.
Vorstand Paul Achleitner, der als Aufsichtsratschef zur Deutschen Bank wechselt, kündigte eine mögliche Änderung der Anlagepolitik an. „Wir sind bei Aktien sehr zurückhaltend, es könnte aber sein, dass sich im Laufe des Jahres ein Umschwung ergibt“, sagte er. Zurzeit hält die Gruppe sechs Prozent ihrer Kapitalanlagen von 461 Mrd. Euro in Aktien – 90 Prozent oder 416 Mrd. Euro liegen in festverzinslichen Titeln, davon 148 Mrd. Euro in Staatsanleihen.
Achleitners vorsichtiger Optimismus zu Aktien wird von Finanzvorstand Oliver Bäte nicht geteilt. „Wir wollen das Aktienrisiko verringern“, sagte er zur Lebensversicherung. Außerdem wolle das Unternehmen neue Formen der Garantieverzinsung einführen, sagte Bäte. Konzernchef Diekmann ergänzte, er könne sich eine Neufestsetzung der Garantiesätze beim Wechseln von der Ansparphase in die Auszahlungsphase bei privaten Rentenversicherungen vorstellen.
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo