Spezialanbieter rückt nach Streit mit Industrie näher an Unternehmenskundenheran // Reduzierung des Versicherungsschutzes wird früher mitgeteilt
Herbert Fromme , Köln
Der Kreditversicherer Atradius hat aus dem Unmut vieler Unternehmen in der Krise 2008 und 2009 gelernt. „Wir halten heute einen viel engeren Kontakt zu unseren Kunden und informieren sie sehr aktuell zu möglichen Änderungen in unseren Deckungszusagen“, sagte Andreas Tesch, Vorstand des in Amsterdam ansässigen Versicherers, der FTD. Außerdem hätten Kunden jetzt 30 Tage Zeit, bevor eine Reduzierung des Versicherungsschutzes greift.
Global und im deutschen Markt ist Atradius die Nummer zwei in dem Marktsegment, führend ist die Allianz-Tochter Euler Hermes. Kreditversicherer schützen Industrie und Handel vor finanziellen Schäden durch Insolvenzen. Geht ein Kaufhaus, Maschinenbauer oder Baukonzern pleite, trifft das immer auch Zulieferer. Wenn die Lieferanten eine Police bei einem Kreditversicherer haben, zahlt der den größten Teil des Schadens – aber nur in Höhe der vorher gewährten Deckungszusage.
Nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers im September 2008 reduzierten die Kreditversicherer ihre Deckungszusagen. Nach Ansicht der Industrie war das oft ungerechtfertigt und pauschal. Verbände setzten gar ein staatliches Versicherungsprogramm durch, das aber kaum Nachfrage fand.
Negative Folgen auf die Nachfrage hatte der Krach offenbar nicht. „Im Gegenteil, wir sehen jetzt auch mehr Interesse bei kleinen und mittleren Firmen“, so Tesch. Dafür habe Atradius auch die Struktur geändert und sei nun weniger zentral aufgestellt: „Jetzt werden mehr Entscheidungen von den Länderverantwortlichen getroffen.“ Zahlen zu einzelnen Ländern wollte er nicht nennen. In Marktkreisen heißt es, das Unternehmen habe 2011 hierzulande rund 200 Mio. Euro Umsatz gemacht und damit seinen Marktanteil auf über 20 Prozent ausgebaut. Vor allem bei Großkonzernen hat Atradius eine starke Stellung. Die Konkurrenz ist dabei groß. Neben den Großanbietern Euler Hermes, Atradius und Coface suchen die Wiesbadener R+V und die belgische Delcredere Kunden im deutschen Markt.
Mit 2011 ist Tesch sehr zufrieden. Der Gewinn nach Steuern stieg um 3,9 Prozent auf 130 Mio. Euro, der Umsatz aus dem Versicherungsgeschäft um 3,8 Prozent auf 1,5 Mrd. Euro. Das Ergebnis steht in Kontrast zu einer wichtigen Branchenkennzahl: Die Schaden- und Kostenquote der Gesellschaft verschlechterte sich von 74 Prozent im Jahr 2010 auf 85 Prozent 2011. Statt 74 Cent pro Prämien-Euro gab die Gesellschaft 85 Cent für Schäden, Verwaltung und Vertrieb aus. Je geringer die Quote, desto profitabler ist das Unternehmen.
„Wir konnten für 2011 und 2012 gute Rückversicherungspreise und Bedingungen aushandeln“, sagte Tesch. Die Rückversicherer mussten 2011 einen größeren Anteil als 2010 zahlen. Die deutsche Konjunktur sieht Tesch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern optimistisch. Bei Lieferungen seiner Kunden an südeuropäische Abnehmer bleibt Atradius – das der spanischen Grupo Catalana Occidente gehört – daher lieber vorsichtig. „Die Prämie für ein griechisches Risiko ist oft doppelt so hoch wie für ein deutsches“, so Tesch.
Quelle: Financial Times Deutschland
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