Geschäftsmodell nicht zukunftsfähig // Selbst Versicherungen sehenReformbedarf
Christiane von Hardenberg, Berlin, und Herbert Fromme, Köln
Es ist ein heikles Feld, auf das sich der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn begibt: Der Politiker rüttelt an der Existenz der privaten Krankenversicherung (PKV). Kurz nach Ostern will Spahn mit seinen Unionskollegen auf einer Klausurtagung über die Zukunft der PKV beraten. Denn dass sich nur Selbstständige, Beamte und Gutverdiener privat versichern könnten, sei nicht zeitgemäß, so Spahn kürzlich.
Damit stellt die CDU erstmals offen die PKV in ihrer heutigen Form infrage. Union und FDP gelten als Verfechter der privaten Kassen. Angesichts explodierender Gesundheitskosten und Versicherungsbeiträge macht sich jedoch die Einsicht breit, dass das System verändert werden muss.
Die Zweiteilung in gesetzliche Krankenkassen (GKV) und PKV geht auf den Gedanken zurück, dass der Staat eine Fürsorgepflicht für all diejenigen hat, die im Krankheitsfall nicht für die Kosten aufkommen können. Wer mehr verdient, kann sich privat versichern. Neben Besserverdienern zählen auch Beamte, Pensionäre und Selbstständige zu den neun Millionen Privatversicherten.
Während die GKV mit staatlicher Hilfe die Kosten unter Kontrolle hält, kommen die privaten Anbieter kaum drum herum, nahezu jede eingereichte Rechnung zu ersetzen. Ärzte, Kliniken und Versicherte nutzen dies aus. Hinzu kommen aber auch hausgemachte Probleme wie Vertriebsskandale und Provisionsexzesse. Jedes Jahr im Januar sorgen die heftigen Prämienerhöhungen – vor allem für ältere Menschen – für Schlagzeilen.
Dass es so nicht weitergehen kann, hat sich selbst bei PKV-Befürwortern herumgesprochen. Noch in der Opposition brachte die FDP einen Antrag in den Bundestag ein, wonach jeder Bürger die freie Wahl haben müsse, wo er sich versichern wolle. Ex-Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) sind diese Gedanken auch nicht fremd. Und auch der Unionsmittelstand machte sich vor einiger Zeit für eine freie Versicherungswahl stark.
Von solchen Überlegungen wollte die CSU jedoch am Donnerstag nichts wissen. „Über ihren Reformbedarf muss die PKV selbst entscheiden“, sagte der CSU-Gesundheitspolitiker Johannes Singhammer Welt Online. „Die CSU ist strikt dagegen, die PKV als Vollversicherung abzuschaffen.“
Auch die PKV zeigte sich empört über den Spahn-Vorstoß. „Die Gedankenspiele stellen unser gut funktionierendes Gesundheitssystem infrage“, so PKV-Verbandsgeschäftsführer Volker Leienbach. Doch die Interessen in der Branche laufen auseinander: Viele mittelgroße Versicherungsvereine wie Barmenia oder Signal Iduna sind energische Verfechter des Weiter-so. Einzelne Gesellschaften sehen die Lage deutlich kritischer. Generali glaubt nicht mehr an die Zukunft der Vollversicherung und löst gerade den eigenständigen Vertrieb des Krankenversicherers Central auf. Munich Re, zu dem das Schwergewicht DKV gehört, spielt hinter den Kulissen die Abschaffung der Vollversicherung durch, auch wenn das Unternehmen dies offiziell dementiert.
Quelle: Financial Times Deutschland
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