AWD-Gründer Maschmeyer hätte Spannendes zu erzählen. Seine heute erscheinendeAutobiographie langweilt mit Gemeinplätzen und einem Schwall an Promi-Namen
Herbert Fromme , Köln
Die früheste Jugend des Carsten Maschmeyer verläuft tragisch. „Als Kind musste ich sonntags immer mit meinen Eltern spazieren gehen – so richtig spießig, im Wald, mit Sonntagshose.“ Das Geld reicht nicht für ein Ausflugslokal, Maschmeyer ist verzweifelt. „Das kann doch nicht wahr sein! Muss ich ausgerechnet diese Eltern haben?“ Die Familie muss nämlich knapsen, Mutter und Stiefvater sind einfache Angestellte. Kein Einfamilienhaus, stattdessen: Mietwohnung. „Da ich aber ein anderes Leben wollte, nahm ich mir vor, spätestens, wenn ich groß wäre, meine Erkenntnis umzusetzen: Wer nichts erbt, muss sich eben selbst etwas aufbauen.“
Gespickt mit derart Erhellendem gelangt heute die Autobiografie „Selfmade“ von AWD-Gründer Carsten Maschmeyer in die deutschen Buchläden. Viel Aufregung hatte es im Vorfeld um den Inhalt dieses Werks gegeben – am Ende aber bleibt das Buch genauso platt wie sein mäßig origineller Untertitel („erfolg reich leben“).
Dabei hätte Maschmeyers Leben so viel Spannendes zu bieten: Er beginnt ein Medizinstudium, wird nebenher Vertreter beim Finanzvertrieb OVB, fliegt dort raus – und gründet den eigenen Vertrieb AWD. Börsengang, Expansion und 2007 Verkauf an den Lebensversicherer Swiss Life. Da ist AWD 1,2 Mrd. Euro wert, Maschmeyer der größte Anteilseigner und spätestens jetzt sehr reich. Beteiligungen hält der Mann an zahlreichen Firmen, von der Fahrradfabrik bis zum Pharmaunternehmen. Und noch 2012 will er die Schauspielerin Veronica Ferres heiraten.
Leider bestehen die 379 Seiten seines Buches aber vor allem aus Tipps, die zu Reichtum und Erfolg führen sollen. Beispiele: „Schließen Sie einen Zielvertrag mit sich selbst!“ – „Bekämpfen Sie Ihren inneren Schweinehund!“ Außerdem: Positiv denken. Körpersprache einsetzen. Echte Begeisterung entwickeln. Keine Schulden machen. Aufregend, oder?
Diesen humorfreien Brei verrührt Maschmeyer großzügig mit Namen von Prominenten. Der 52-Jährige ist besessen von wichtigen Leuten, denen er mal die Hand schütteln durfte oder deren Freund er sich nennt. Bill Clinton, Thomas Gottschalk, Gerhard Schröder, Christian Wulff, Klaus Meine, Sanford Weill, Dirk Roßmann, Bert Rürup und zig andere – alle dienen als Beleg für Maschmeyers Weisheiten („Wie man mit der richtigen Geisteshaltung reüssiert, durfte ich bei Mirko Slomka und Wladimir Klitschko studieren.“).
Sehr knapp dagegen fallen die Einzelheiten aus seinem Leben aus. Wir erfahren, dass Maschmeyer 1978 privat am Boden war und an Suizid dachte. Er gibt preis, dass er in Rekordtempo Business-Englisch lernte, um beim Börsengang eine gute Figur zu machen. Aber über die Arbeit von AWD, über Gefährten und Feinde aus dem Berufsleben – nichts.
Dabei sind gerade Maschmeyers Geschäftsmethoden umstritten. In Österreich und Deutschland laufen gegen AWD Prozesse wegen angeblicher Falschberatung, Tausende von Anlegern werfen dem Vertrieb vor, ihnen aus Provisionsgründen verlustträchtige Anlagen verkauft zu haben. Maschmeyers Millionen stammen im Wesentlichen von Tausenden AWD-Vertretern, die mit bescheidenen Provisionen leben mussten und die Maschmeyer zum Teil mit drakonischen Maßnahmen lenkte.
Fast wirkt es, als schäme er sich für die Methoden der von ihm gegründeten Firma. Ihren Ursprung, so die Darstellung in „Selfmade“, haben Maschmeyers Erfolg und sein Vermögen in der ehernen Willenskraft des Meisters – und nicht etwa in den oft schattigen Methoden des Finanzvertriebs.
Sei’s drum: Ganz sicher kann sich der Mann bei einem Spaziergang durch den Wald inzwischen einen Besuch im Ausflugslokal leisten. Er kann den Laden sogar kaufen, wenn er mag, und den Wald gleich mit. Und das ist ja letztlich die Hauptsache.
Quelle: Financial Times Deutschland
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