Helios will mit Rhön-Klinikum der größte Krankenhauskonzern Deutschlandswerden. Der Masterplan geht aber noch viel weiter
Sven Clausen, Hamburg,
und Ilse Schlingensiepen, Köln
Dass Vortragsveranstaltungen nicht nur für kurze Nickerchen während der Arbeitszeit gut sind, sondern mitunter echte Erkenntnisgewinne bereithalten, bewies Eugen Münch am 18. April. Man hätte ihn damals nur forscher interpretieren müssen, um den Paukenschlag Ende vergangener Woche vorauszusehen.
Am Berliner Iges Institut skizzierte der Aufsichtsratschef des MDAX-Konzerns Rhön-Klinikum, wie er sich die Zukunft der Krankenhausbranche vorstellt. „Bei uns wird an Zusammenschlüssen (…) gestrickt, die das Zeug hätten, in ganz Deutschland jedermann einen Auffangpunkt (…) zu bieten, der nicht weiter als eine Autostunde entfernt ist.“ Am Donnerstag dann die Auflösung: Der Marktführer Helios, im Besitz des DAX-Konzerns Fresenius, unterbreitete Münchs Rhön-Klinikum ein Kaufangebot über 3,1 Mrd. Euro – im Detail abgesprochen mit dem 67-Jährigen, der 12,5 Prozent der Anteile hält.
Der Masterplan, den die Partner in spe am Donnerstag noch nicht öffentlich machten, geht allerdings weit über den Aufbau des größten Klinikbetreibers der Republik hinaus und wäre eine Revolution im Gesundheitsmarkt. Münch will, dass der neue Konzern eine private Zusatzversicherung anbietet, der die Patienten an Helios-Rhön bindet. „Die Idee ist, eine normierte Versicherung anzubieten, die konkret und vor Ort Leistungen verspricht und einhält. Wir haben bei einem Zusammenschluss das Angebot, wir haben die Maschine dahinter, um das Versicherungsversprechen wirklich einzulösen“, sagte er der FTD. Derzeit gingen Patienten oft zum falschen Arzt oder ins falsche Krankenhaus. Das koste unnötige Milliarden, die angesichts steigender Kosten durch die alternde Gesellschaft nicht finanzierbar seien.
In seinem Modell würde das verhindert, weil Patienten ihre Krankendaten beim neuen Konzern hinterlegen und so immer sofort an die richtige Stelle geschickt würden. Das sei aber nur dann attraktiv, wenn man wirklich bundesweit ambulante wie stationäre Leistungen anbieten könne – und das billiger. Deshalb der Zusammenschluss.
Münch hat das auch durchrechnen lassen: Bei einem 40-jährigen Erstversicherten würde er für stationäre Leistungen rund 30 Euro pro Monat erheben, für ambulante Leistungen rund 50 bis 60 Euro. Zum Vergleich: Derzeit liegen die Preise bei rund 45 Euro beziehungsweise 130 Euro pro Monat.
Das Konzept einer klinikgebundenen Zusatzversicherung wird schon länger diskutiert – hätte allerdings noch nie eine solche Marktmacht hinter sich gehabt. Ein ähnliches Projekt unter umgekehrten Vorzeichen ist bereits gescheitert: So hatte die Deutsche Krankenversicherung versucht, im großen Stil Ärztezentren für Privatversicherte aufzubauen. Das Angebot misslang, vielen Patienten war die Nähe zum Versicherer zu groß. Sie fürchteten Einbußen an Qualität, wenn Versicherung und Versorgung in einer Hand liegen und sie nicht mehr selbst entscheiden können, zu welchem Arzt oder welcher Klinik sie gehen.
Autoversicherer haben bessere Erfahrungen mit Dienstleistern unter eigener Kontrolle gemacht. Eine Reihe von Unternehmen unter Führung der HUK-Coburg bietet Kunden Preisnachlässe an, wenn sie Schäden in Vertragswerkstätten des Versicherers reparieren lassen.
Münch hat Erfahrung mit Revolutionen. Gemeinsam mit Helios-Gründer Lutz Helmig hat er den deutschen Markt für private Kliniken geschaffen und auf Wirtschaftlichkeit getrimmt. Mit Fresenius-Chef Ulf Schneider spricht er schon seit Monaten über seine Lieblingsidee. „Herr Schneider ist noch nicht so weit, dass er diese Idee vollumfänglich und priorisiert unterstützt.“ Man nähere sich aber an, sagt Münch. Schneider selbst sagte am Donnerstag, man werde nicht mehr so viele Krankenhäuser privatisieren, „weil wir verstärkt die Wachstumspotenziale nutzen werden, die unser flächendeckendes Kliniknetz bietet“. Münch würde den Fortschritt gern als stellvertretender Aufsichtsratschef des neuen Unternehmens vorantreiben. Doch selbst wenn Schneider ihm mehr und mehr zuneigt, viel nötiger ist Überzeugungsarbeit an anderer Front: 90 Prozent der Rhön-Aktionäre müssen einem Verkauf zustimmen. Allein Münchs 12,5 Prozent werden als Argument nicht reichen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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