Generali-Chef Giovanni Perissinotto arbeitet seit den 80er-Jahren für denVersicherer. Nun verjagt ihn eine Aktionärsseilschaft zwischen Unternehmern undder Mediobanca
Tobias Bayer, Mailand,
und Herbert Fromme, Köln
30 Jahre bei Generali, elf Jahre im Vorstand, dann geht für Giovanni Perissinotto alles ganz schnell. Ab 10.30 Uhr tagt der Verwaltungsrat des italienischen Versicherungskonzerns am Samstag an der Piazza Cordusio in Mailand. Rund drei Stunden später ist Perissinotto seinen Job los, zehn von 16 anwesenden Kontrolleuren entziehen ihm das Vertrauen.
Schon nach 15.00 Uhr wird die Pressemitteilung veröffentlicht. Mit einem Satz wird der 58-jährige Manager vor die Tür gesetzt: „Der Verwaltungsrat drückte Giovanni Perissinotto seinen Dank aus für mehr als 30 Jahre im Dienst des Unternehmens.“ Der Nachfolger steht schon fest, er heißt Mario Greco und kommt vom Schweizer Rivalen Zurich. Er könne schon bald anfangen, heißt es.
Es ist ein außergewöhnliches Ereignis für Italien. Der Triester Konzern Generali, hinter Allianz und Axa der drittgrößte europäische Versicherer, ist nach dem Zweiten Weltkrieg in Italiens Wirtschaftsarchitektur neben Fiat und Mediobanca der dritte wichtige Pfeiler. Nahezu jeder Italiener hat einen Teil seiner Ersparnisse in Generali-Aktien angelegt. Was in Triest passiert, bewegt das ganze Land.
Perissinottos Sturz sagt viel aus über die neue Machtverteilung im Land. Früher war die Mediobanca das Gravitationszentrum der „Galassia“, des Universums aus Banken und Firmen im dynamischen Norden Italiens. Unter ihrem langjährigen Chef Enrico Cuccia war sie der allgegenwärtige Strippenzieher, der das System im Gleichgewicht hielt. Doch ab den 90er-Jahren, als Italien die Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken aufhob und die Mediobanca dadurch das Investmentbanking-Monopol verlor, schrumpfte ihr Einfluss zusehends. Zwar ist sie mit 13,2 Prozent immer noch der größte Generali-Aktionär. Beim Putsch gegen Perissinotto spielt sie aber erst einmal nur eine Nebenrolle.
Den Angriff leiten drei andere Großaktionäre ein: Leonardo Del Vecchio, Gründer des Brillenkonzerns Luxottica, Lorenzo Pellicioli, Chef des Verlagshauses De Agostini, und Francesco Gaetano Caltagirone, dessen Familie im Baugeschäft reich geworden ist, und der über ein weit verzweigtes Netz von Beteiligungen verfügt. Del Vecchio, Pellicioli und Caltagirone halten jeweils zwischen zwei und drei Prozent an Generali – und sind mit der Aktienkursentwicklung höchst unzufrieden. Seit Anfang 2011 lag das Minus an der Börse bei 40 Prozent.
Speerspitze ist Del Vecchio, hinter Michele Ferrero vom gleichnamigen Süßwarenhersteller der reichste Italiener. Aus einem Auftragshersteller für die Brillenindustrie in Belluno formte er über die Jahrzehnte mit Luxottica einen Konzern von Weltformat. Er gibt dem „Corriere della Sera“ ein Interview, das am Tag der Generali-Hauptversammlung am 28. April veröffentlicht wird. Generali mache „viel Finanz und wenig Versicherung“, mäkelt Del Vecchio. An Perissinotto gewandt sagt er: „Er sollte mit Würde zurücktreten.“ Der Generali-Chef keilt barsch zurück: „Das Versicherungsgeschäft ist komplex. Es ist etwas anderes, als Brillen zu verkaufen.“
Der Unmut der drei Großaktionäre spielt Mediobanca in die Karten. Das Verhältnis zwischen Bankchef Alberto Nagel und Perissinotto gilt seit dem Sturz des ehemaligen Generali-Präsidenten Cesare Geronzi im Jahr 2011 als zerrüttet. Der heute 77 Jahre alte Geronzi, früher Mediobanca-Präsident, wurde 2011 bei dem Versicherer entmachtet – treibende Kraft soll Perissinotto gewesen sein. Das habe ihm die Investmentbank nie verziehen, sagt ein Insider: „Die Mediobanca hat die eherne Philosophie, dass eine strikte Trennung zwischen Aktionären und Management bestehen muss.“ Belastend kommt hinzu, dass Nagel an der Fusion zwischen den Versicherungskonzernen Fondiaria-Sai und Unipol bastelt. Perissinotto hält von diesem Projekt herzlich wenig und sagt das auch offen.
Am Mittwoch, den 30. Mai, schreitet Mediobanca zur Tat. Sie bestellt Perissinotto an ihren Mailänder Sitz an der Piazzetta Cuccia ein. Nagel und Mediobanca-Präsident Renato Pagliaro kündigen an, einen Wechsel an der Generali-Spitze anzustreben. Am Donnerstag werden die Verwaltungsräte über E-Mail informiert, für Samstag wird eine außerordentliche Sitzung einberufen. Auf der Agenda stehen die Artikel 2381, 2386 und 2389 des italienischen Zivilrechts. Die Paragrafen regeln die Ernennung und Enthebung des Vorstands. Es wird eine klare Angelegenheit. Doch einige halten zu Perissinotto, darunter Diego Della Valle, Präsident des Lederwarenherstellers Tod’s. Er ist erbost – und sagt den Journalisten nach der Sitzung: „Ich trete zurück.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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