Zweifel an Piratenabwehr

Rückversicherer Munich Re sieht Einsatz bewaffneter Sicherheitsleute aufSchiffen skeptisch

Patrick Hagen , Köln

Um sich gegen Piratenangriffe zu wappnen, setzen Schifffahrtsunternehmen verstärkt bewaffnete Sicherheitskräfte an Bord ein – gehen damit aus Sicht des weltgrößten Rückversicherers Munich Re aber hohe Risiken ein. „Wir sehen große Probleme, die damit einhergehen“, sagte der Chef der Marine-Abteilung des Konzerns, Dieter Berg, der FTD. Dazu gehörten ungeklärte Haftungsfragen. „Was passiert, wenn Angreifer oder Crewmitglieder im Laufe eines Feuergefechts getötet werden?“, sagte Berg. Außerdem gebe es rechtliche Probleme beim Transport der Waffen.

Damit stellt Munich Re eine zentrale Forderung deutscher Reeder infrage. Diese verlangen von der Bundesregierung, eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz bewaffneter Sicherheitsleute an Bord von Schiffen zu schaffen. Bislang ist der Einsatz solcher Teams auf deutsch geflaggten Schiffen nicht klar geregelt, die Reeder agieren in einer Grauzone.

In der Schifffahrt gilt der Einsatz von Sicherheitsfirmen als Erfolgsrezept. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Piratenangriffe leicht zurückgegangen, nachdem sie zuvor vier Jahre in Folge gestiegen war. Das International Maritime Bureau, das die Attacken erfasst, zählte 439 Vorfälle, sechs weniger als 2010. Davon waren 45 Angriffe erfolgreich, 802 Seeleute wurden als Geiseln genommen. Neben dem EU-Marineeinsatz am Horn von Afrika gelten vor allem die Sicherheitsleute als Grund für den moderaten Rückgang.

Das Geschäft mit dem Schutz vor Piraten boomt: Zurzeit sind rund 200 Sicherheitsfirmen aktiv. „Das beruht darauf, dass bislang noch kein Schiff mit bewaffneten Kräften an Bord gekapert wurde“, sagte Berg. Der Experte bezweifelt jedoch, dass das so bleibt. „Die Erfahrung zeigt, dass Piraten auf neue Verteidigungsstrategien sehr flexibel reagieren“, sagte Berg. „Das wird eine Zeitlang gut gehen, aber die Piraten werden sich schwerer bewaffnen und ihre Strategie ändern.“

Er befürwortet in erster Linie defensive Maßnahmen zur Piratenabwehr wie Stacheldraht, Elektrozäune oder Wasserkanonen – auch, weil es durch den Einsatz von Sicherheitskräften häufiger zu Schusswechseln komme. Diese kosten die Versicherungsbranche viel Geld. „Es gibt vermehrt hohe Schäden durch Einschusslöcher“, sagt Berg.

Normale Schiffsversicherungen kommen mittlerweile nicht mehr für Schäden aus Piratenangriffen auf. Die Reeder müssen dafür sogenannte Kriegsdeckungen abschließen. Lösegeldzahlungen können sie mit speziellen Kidnap-and-Ransom-Policen versichern.

Beide Versicherungen bereiten den Anbietern wenig Freude. Denn die an Piraten gezahlten Lösegelder sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. „Die durchschnittlichen Lösegelder betragen zurzeit 5 bis 5,5 Mio. Dollar, 2007 waren es noch 150 000 Dollar“, sagte Berg. „Historisch gesehen sind die Sparten Krieg und Kidnap and Ransom eigentlich gut verlaufen, aber durch das Piraterie-Element sind beide schwierig geworden“, so der Experte. „Einige Versicherer überlegen bereits, sich aus den Segmenten zurückzuziehen.“

Die Havarie des Kreuzfahrtschiffs „Costa Concordia“ vor einigen Monaten wird den Markt für Schiffsversicherungen ebenfalls schwer belasten. Berg erwartet, dass die Katastrophe zu höheren Preisen in der Seekaskoversicherung führen wird. Mit der Seekaskoversicherung wird das Schiff selbst versichert. „Ein Großteil der Kaskoversicherer hatte so einen Schaden nicht eingeplant“, sagte Berg. Die Prämien in dem Segment sind seit Jahren unter Druck. Die Munich Re zieht sich deshalb zunehmend aus dem Geschäft zurück.

Quelle: Financial Times Deutschland

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