Brüssel gewährt Anbietern Schonfrist bei Altverträgen
Herbert Fromme , Hamburg,
und Peter Ehrlich, Brüssel
Die EU will die geplanten strengeren Kapitalvorschriften für Versicherer nach heftigem Druck der Branche und Kritik von Aufsichtsbehörden deutlich abmildern. Nach FTD-Informationen beabsichtigt Brüssel, alle bestehenden Verträge für sieben Jahre von dem neuen Regelwerk Solvency II auszunehmen, das ab 2014 gelten soll. Für diese Altverträge sollen weiter die bisherigen Standards gelten. Nur bei Risikomanagement und Berichten müssten Unternehmen die neuen Regeln einhalten – was die Reform für die Lebensversicherer erheblich entschärft.
Gefahr für Kunden sinktMit der Schonfrist reagiert die EU auf Warnungen, dass viele Versicherer mit den neuen Regeln enorme Probleme bekommen könnten. Bei einem Test der deutschen Branche hatte sich herausgestellt, dass rund 40 Prozent der Lebensversicherer in Schwierigkeiten geraten würden, rund zehn Prozent sogar in Existenznot. „Das Problem sind die Niedrigzinsen, sie wirken sich unter Solvency II sehr negativ aus“, sagte ein Topmanager.
Für Kunden bedeutet die Ausnahme für Altverträge, dass die Gefahr eines Kollapses ihrer Gesellschaft deutlich gesunken ist. Allerdings gelten Turbulenzen bei einigen Anbietern von Lebensversicherungen wegen der Niedrigzinsen weiterhin als sehr wahrscheinlich. Kunden notleidender Gesellschaften würden von der brancheneigenen Auffanggesellschaft Protektor übernommen.
Veto der Finanzaufsicht Mit Solvency II will Brüssel die Aufsichtsregeln EU-weit vereinheitlichen und Versicherer krisenfester machen. Die Anbieter müssen künftig für alle Risiken bestimmte Eigenmittel vorhalten – wer Pharmafirmen versichert, braucht mehr Kapital als der Rivale, der Wohnhäuser abdeckt. Versicherer müssen Kapitalanlagen in Aktien mit mehr Eigenmitteln unterlegen als bei Anlagen in Staatsanleihen.
In Brüssel laufen momentan die Abstimmungen zwischen Parlament, EU-Kommission und Ministerrat über das Regelwerk. Der Vorschlag, eine Ausnahme für Altverträge zu schaffen, kam nach Angaben aus verhandlungsnahen Kreisen vom CDU-Abgeordneten Burkhard Balz – dem Berichterstatter des Europaparlaments.
Die deutsche Finanzaufsicht BaFin habe sogar eine Übergangsfrist von zehn Jahren für Altverträge vorgeschlagen, hieß es in Brüssel. Die EU-Kommission hat Zustimmung zum Balz-Vorschlag signalisiert. Diskutiert wird er am Mittwoch von Rat, Parlament und Kommission. „Er hat gute Chancen, aber in trockenen Tüchern ist noch nichts“, sagte ein Insider.
Quelle: Financial Times Deutschland
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