Kolumne
Herbert Fromme
Der Streit um die Richtung der Preise in der Industrieversicherung ist voll entbrannt. Vordergründig spricht einiges dafür, dass der Markt an einem Wendepunkt steht – vom „weichen“ Markt mit fallenden oder stagnierenden Preisen zu einem „harten“ Markt mit anziehenden Raten und knapper Kapazität. Vor allem Versicherer argumentieren so. Das tun sie zwar schon seit mehreren Jahren, und jeder weiß, dass die Branche die Preise hochreden will. Aber zurzeit haben die Chefs der großen Industrieversicherer handfeste Argumente: Da ist einmal der unbestreitbare Wechsel in der Autoflottenversicherung, wo die Anbieter saftige Anhebungen mit zum Teil rabiaten Mitteln durchsetzen konnten.
Zweitens hat der globale Rück- und Industrieversicherungsmarkt im Jahr 2011 heftig unter großen Katastrophen gelitten, einschließlich des Erdbebens in Japan und der Überflutung in Thailand. Nach gängiger Vorstellung in der Branche führt das zu höheren Preisen.
Das ist alles richtig. Ich habe trotzdem große Zweifel und glaube noch nicht daran, dass die Versicherer in den kommenden zwei, drei Jahren ein deutlich höheres Preisniveau in der Industrieversicherung durchsetzen können. Die Flottenversicherung ist kein Gegenbeweis: Dieses Geschäft ist erratisch und hat sich schon oft vom allgemeinen Markttrend abgekoppelt. Das hängt damit zusammen, dass sich mancher brave Privatkundenversicherer auf der Suche nach Stückzahlen gelegentlich in die Flottenversicherung verirrt – und auch wieder aussteigt, wenn er beim Schadenverlauf eins auf die Nase bekommt. Nein, die Flotte ist kein Trendindikator für Feuer und Haftpflicht.
Mein Hauptargument hat mit der eigentlichen Versicherungstechnik und den berühmten Zyklen aus Hoch- und Niedrigpreisen wenig zu tun. Ich glaube, es gibt einfach immer noch viel zu viel Kapital in der Versicherungs- und Rückversicherungswirtschaft. Das blockiert einen dauerhaften Wechsel bei den Preisen. Die Investoren ziehen ihr Geld aus mehreren Gründen nicht ab: Die Schuldenkrise führt zu den niedrigen Zinsen, die viele andere Investitionsmöglichkeiten unattraktiv machen. Außerdem haben die meisten börsennotierten Versicherer und Rückversicherer trotz Katastrophenschäden ordentliche Dividenden gezahlt. So schlecht haben die Anleger dabei nicht abgeschnitten. Und die Ausstiegsmöglichkeiten für Investoren in den großen Bermuda-Gesellschaften sind zurzeit auch nicht besonders gut. Es ist deshalb sehr unwahrscheinlich, dass sich kurzfristig das Kapital in der Branche verknappt – aber nur dann wäre ein stabiler Preisanstieg möglich.
Herbert Fromme ist Versicherungskorrespondent der FTD.
Quelle: Financial Times Deutschland
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