Praktische Umsetzung der Übergangsregeln ist unklar
Herbert Fromme , Münster
Die in Brüssel diskutierte siebenjährige Übergangsregelung für das neue Aufsichtsrecht Solvency II stößt bei Versicherern auf Skepsis. „Grundlegend ist es positiv, dass robuste Übergangsregelungen diskutiert werden“, sagte Ulrich Lüxmann-Ellinghaus, Finanzvorstand der Provinzial Nordwest in Münster, am Montag. „Aber wir haben ein gewisses Misstrauen zu dem, was da in Brüssel zusammengeschraubt wird.“ Bisher sei völlig unklar, wie der Vorschlag praktisch umgesetzt werden könne.
Die EU-Kommission tritt in Gesprächen mit dem Ministerrat und dem EU-Parlament inzwischen dafür ein, den Versicherern für die bestehenden Policen eine Übergangsfrist von sieben Jahren zu gewähren. Die Gesellschaften müssten für das bestehende Geschäft die Kapitalanforderungen des heutigen Systems Solvency I erfüllen und nur für neue Verträge die schärferen Anforderungen von Solvency II.
Ohne eine Übergangsregelung wäre die Branche mit einem neuen System konfrontiert, das laut Lüxmann-Ellinghaus „nicht praktikabel“ ist. „Das ist ein hoch volatiles Großexperiment, eine Operation am offenen Herzen.“ Die Provinzial Nordwest habe sich am brancheninternen Testlauf Nummer sechs beteiligt, der Quantitative Impact Study (QIS) 6. „Wir haben an QIS 6 heftig mitgerechnet“, so Lüxmann-Ellinghaus. „Wir bekommen einen bunten Strauß an Ergebnissen, zwischen Überdeckung und Unterdeckung.“ Das sei davon abhängig, welche Zinsmodelle verwendet würden. „Es ist schlicht nicht seriös, mit dem Ding zu arbeiten“, sagte Lüxmann-Ellinghaus zu Solvency II – ein vernichtendes Urteil eines mittelgroßen Versicherers über das Aufsichtsregime, an dem EU, Aufsichtsbehörden und Versicherer seit mehr als zehn Jahren arbeiten.
Die zum Sparkassenlager gehörende Provinzial Nordwest ist in Westfalen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern tätig. Sie konnte das Konzernergebnis von 75 Mio. Euro im Jahr 2010 auf 116 Mio. Euro 2011 steigern, davon stammen 20 Mio. Euro aus Rückstellungen, die das Unternehmen nach positiv verlaufener Steuerprüfung auflösen konnte. Die Prämieneinnahmen gingen um 5,5 Prozent auf 3,04 Mrd. Euro zurück. „Wir haben gezielt das Geschäft mit Einmalbeiträgen in der Lebensversicherung zurückgefahren“, sagte Provinzial- Nordwest-Chef Ulrich Rüther zur Begründung. Die Sanierung der schwer angeschlagenen Schadengesellschaft in Kiel sei fast abgeschlossen.
Quelle: Financial Times Deutschland
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