Pensionslasten erdrücken Konzerne

In den betrieblichen Rentenkassen klafft eine Milliardenlücke – und wegen desZinstiefs wird das Loch immer größer

Angela Maier Herbert Fromme

Angela Maier und Herbert Fromme, München, Max Smolka, Frankfurt

Das Dauertief bei den Zinsen lässt die Pensionslasten für Unternehmen in Deutschland und Europa gefährlich anwachsen. Topmanager von DAX-Konzernen sind deswegen zunehmend alarmiert. „Die Pensionsverpflichtungen sind ein Riesenproblem für viele Unternehmen“, sagte Jörg Schneider, Finanzchef des Rückversicherers Munich Re, der FTD. „Sollte die Niedrigzinsphase länger andauern, kann das zu einer ernsten Herausforderung werden“, warnte Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser.

Eigentlich gilt die betriebliche Altersvorsorge als sehr sicherer Teil des Rentensystems. Die staatliche Rentenversicherung gilt als überfordert, Lebensversicherer senken ihre Garantiezinsen immer weiter. Nun wird es auch für Firmen immer schwerer, versprochene Betriebsrenten tatsächlich auch auszahlen zu können. „Die niedrigen Zinsen stellen viele Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge vor ernste Schwierigkeiten“, so kürzlich der Freiburger Ökonom und Rentenexperte Bernd Raffelhüschen. 17 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland haben eine Betriebsvorsorge.

In den betrieblichen Pensionskassen klaffen schon länger Milliardenlücken. Durch die niedrigen Zinsen haben sich diese zuletzt allerdings stark ausgeweitet. Nach Berechnung der Beratungsfirma Mercer haben die Gesamtverpflichtungen aller 30 DAX-Konzerne infolge der Niedrigzinsen seit Jahresbeginn um gut 40 Mrd. Euro auf fast 300 Mrd. Euro zugenommen. Die Beratung Towers Watson kommt auf einen Zuwachs um 22 Mrd. Euro auf 281 Mrd. Euro. Dem steht nur ein dafür reserviertes Anlagevermögen von 174 Mrd. Euro gegenüber. Insgesamt deckten die DAX-Konzerne ihre Pensionsverpflichtungen derzeit zu 62 Prozent mit Kapitalanlagen ab, so Towers Watson. Zu Jahresbeginn waren es noch 66 Prozent. Für die Lücke haften die Firmen mit ihrer Bilanz.

Wegen der niedrigen Marktzinsen müssen die Konzerne ihre internen Kalkulationen ständig anpassen: Es sinkt der sogenannte Rechnungszins – die Größe, mit der die Unternehmen ermitteln, wie viel Geld sie für künftige Verpflichtungen heute vorhalten müssen. Entsprechend steigt die Last: Seit Jahresbeginn haben die Mercer-Berater ihre Empfehlung für den Rechnungszins um 1,1 Prozentpunkte auf durchschnittlich 3,8 Prozent reduziert. „Das erhöht den Umfang der Verpflichtungen um 16 Prozent“, sagte Mercer-Chefaktuar Thomas Hagemann.

Schnelle Entlastung ist nicht in Sicht: „Wir rechnen damit, dass das Niedrigzinsumfeld mittelfristig anhalten wird“, sagte Towers-Watson-Experte Thomas Jasper. Pensionskassen wie Lebensversicherer tun sich schwer, mit ihren Kapitalanlagen ausreichend Rendite zu erwirtschaften. „So sinken beispielsweise die Zinssätze für unsere konservative Geldanlagepolitik gegen null“, sagte Bernhard Düttmann, Finanzvorstand des Chemiekonzerns Lanxess.

Die zunehmende Alterung belastet die Pensionskassen zusätzlich. „Die Komplexität und Tragweite des Pensionsthemas schafft eine gewisse Brisanz“, so Siemens-Vorstand Kaeser. „Wir befassen uns damit intensiv.“ Düttmann spricht von einem „Umfeld, das mehr Aufmerksamkeit erfordert“. Die Euro-Krise werde den Druck auf die Firmen „in den nächsten Monaten in zweifacher Hinsicht erhöhen“, glaubt Boston-Consulting-Partner Alexander Roos. Wegen des Zinsproblems müssten einige vermutlich für die Betriebsrenten nachschießen. Dazu komme das Problem eingebrochener Gewinne wegen der schwachen Konjunktur.

Schwerpunkt8

Quelle: Financial Times Deutschland

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