Assekuranz und Makler warten mit neuen Lösungen auf, um das Privatvermögen der Führungskräfte zu schützen
Friederike Krieger und Herbert Fromme
In den Vorstandsetagen deutscher Konzerne wächst die Nervosität. Gestandene Manager machen sich Sorgen um ihre Haftpflichtdeckung, die sie vor den finanziellen Folgen von Pflichtverletzungen schützen soll, die sogenannte Directors` & Officers` Liability (D&O). Verantwortlich ist ein Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH). Hat ein Kollege oder die Firma bei Abschluss der D&O-Police falsche Angaben gemacht, droht auch unbeteiligten Managern der Verlust ihrer Deckung. Nach einem Fehler mit millionenschweren Folgen könnten Vorstände und Aufsichtsräte ihr Privatvermögen verlieren.
Versicherer und Makler bemühen sich um Schadensbegrenzung. Im Juni kündigte der Großmakler Marsh eine Auffangdeckung für Vorstände an. Nun bringt auch der zur Hyperion Insurance Group gehörende Assekuradeur Dual eine Police auf den Markt. „Wir bieten eine persönliche Absicherung für Manager, die beim Ausfall der D&O-Versicherung des Unternehmens greift“, erklärt Heiner Eickhoff, Geschäftsführer von Dual Deutschland.
Große Unternehmen schließen für ihr Führungspersonal D&O-Policen ab, um zu verhindern, dass die Manager aus Angst um ihr persönliches Vermögen bei weitreichenden Entscheidungen zögern. Doch macht das Unternehmen oder ein einziger Manager bei Vertragsabschluss falsche Angaben oder verschweigt ihm bereits bekannte Pflichtverletzungen oder Rechtsstreitigkeiten, kann der Versicherer den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten.
Da meist alle Manager über eine einzige Police abgesichert sind, würden in so einem Fall auch alle ihre Deckung verlieren – inklusive derjenigen, die mit der Täuschung gar nichts zu tun haben.
Um die unschuldigen Führungskräfte zu schützen, haben die Anbieter eigentlich Klauseln in ihren Verträgen verankert. Demnach verzichten sie auf eine Anfechtung. Nur Manager, die an der Täuschung beteiligt waren, verlieren ihre Deckung.
Folgenreiches Heros-UrteilDoch diese Regelung ist seit dem BGH-Beschluss vom 21. September 2011 (Az: IV ZR 38/09) Makulatur. In dem Fall ging es um die gescheiterte Klage eines Kunden des betrügerischen Geldtransporteurs Heros gegen dessen Transportversicherer Mannheimer. Der BGH sprach dem Versicherer das Recht zu, Verträge wegen arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer im Nachhinein anzufechten – selbst wenn Klauseln vereinbart wurden, die genau dies ausschließen. Der Beschluss ist auch auf D&O-Policen übertragbar.
Bisher ist noch kein Fall bekannt geworden, in dem ein Versicherer mit Verweis auf diesen höchstrichterlichen Spruch einen D&O-Vertrag angefochten hat. Aber das beruhigt die Führungsetagen nicht. „Die Frage ist nicht, ob es zu einer Anfechtung kommt, sondern wann es passiert“, sagt Manuel Wirtz, Prokurist bei Dual. Dazu müsse es nur zu einem großen Schaden kommen, Anfechtungsgründe ließen sich schnell finden. Zudem könnten Versicherer die Anfechtung als Drohpotenzial bei Verhandlungen mit dem Unternehmen einsetzen. Die Industrie ist besorgt. „Der BGH-Beschluss hat schon zu erheblichem Erstaunen und zu Unruhe im Markt geführt“, sagt Georg Klinkhammer vom Deutschen Versicherungs-Schutzverband (DVS), der Interessenvertretung der Industrie in Versicherungsfragen.
Erklärungen von Versicherern, dass sie auf ihr Anfechtungsrecht verzichten, sind nach Ansicht von Dual nicht haltbar. Denn die Gesellschaften dürfen im Interesse ihrer Aktionäre nicht einfach auf rechtliche Schritte verzichten, wenn sie damit Millionen einsparen würden. „Das kann als Untreue ausgelegt werden“, erklärt Eickhoff. Zudem widerspreche das dem Versicherungsaufsichtsgesetz. Danach muss ein Versicherer seine Kunden gleichbehandeln und darf niemanden bevorzugen, indem er rechtliche Möglichkeiten nicht ausnutzt.
Die Suche nach Lösungen läuft auf Hochtouren. „Es besteht ein großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit“, sagt Klinkhammer vom DVS. Der Makler Marsh arbeitet an einem Konzept, bei dem ein Schwesterunternehmen des jeweiligen D&O-Versicherers Zusatzdeckungen für den Fall gewährt, dass der Hauptanbieter die Police für ungültig erklärt.
Dual will das Dilemma mit einer separaten Police lösen, die nicht das Unternehmen, sondern der Manager selbst abschließt und bezahlt. Die Police greift, wenn der Manager über die Unternehmenspolice keine Deckung erhält, weil der Versicherer wegen arglistiger Täuschung, Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten oder wegen einer nicht gemeldeten Gefahrenerhöhung nicht zahlt. Zudem kommt die Police auch bei einer Insolvenz des Hauptversicherers zum Einsatz und leistet, wenn die Deckungssumme bereits durch frühere Schadenfälle oder Abwehrkosten erschöpft ist.
Die Preise reichen von 1000 Euro für 500 000 Euro Deckungssumme bis zu 100 000 Euro für die maximal mögliche Summe von 30 Mio. Euro. Dual arbeitet mit den Versicherern Arch, Newline und dem Lloyd’s-Syndikat Channel zusammen.
Andere Versicherer überarbeiten bestehende Policen. So tüftelt der Spezialanbieter VOV an einer modifizierten Anfechtungsverzichtsklausel. „Es wird eine Klausel geben, die ähnlich wie die alte Regelung den Schutz der gutgläubigen Manager gewährleistet, aber BGH-konform formuliert ist“, sagt Geschäftsführer Diederik Sutorius. Die Allianz-Tochter Allianz Global Corporate & Specialty bastelt an einem Anhang zu den D&O-Policen, der allen Beteiligten ein höheres Maß an Rechtssicherheit bieten soll. Details behält die Allianz für sich.
Klinkhammer hält eine Lösung über die Hauptpolice für wünschenswert, begrüßt aber alle Vorstöße. „Es hat noch niemand den Königsweg gefunden, aber es ist gut, dass sich etwas tut“, sagt er.
Quelle: Financial Times Deutschland
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