Versicherer sollen Rechtsschutzschäden direkt bearbeiten dürfen. Spezialistenund Verbraucherschützer schlagen Alarm
Herbert Fromme
Herbert Fromme , Köln
Die deutsche Assekuranz streitet über die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der Spartentrennung zwischen der Rechtsschutzversicherung und anderen Bereichen der Schadenversicherung. Die Reform wäre ein schwerer Schlag gegen das Geschäftsmodell jener Unternehmen, die separaten Rechtsschutz anbieten. Verbraucherschützer befürchten zudem Nachteile für die Versicherten.
Bislang gilt: Wenn Versicherer in Deutschland auch Rechtsschutz anbieten, müssen sie das entweder in einer eigenen Gesellschaft tun oder zumindest die Schadenbearbeitung an eine externe Firma auslagern. Grund für die Regelung sind mögliche Interessenkonflikte: Wenn ein Kunde mit Rechtsschutzversicherung gegen seinen Versicherer wegen einer anderen Sache klagt, zum Beispiel wegen eines Autoschadens, müssten genau jene Sachbearbeiter über die Rechtssschutzdeckung entscheiden, die Ziel der Klage sind.
Die Koalition will nun aber die seit 1990 geltenden Regeln ändern. Überraschend ist auf Antrag von CDU/CSU und FDP eine Änderung des entsprechenden Paragrafen 8a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) aufgetaucht – in einem Gesetzentwurf, der andere, lange besprochene Gesetzesänderungen regelt. Demnach sollen Versicherer Rechtschutzschäden künftig ohne Zweckgesellschaften bearbeiten dürfen – allerdings nur über Mitarbeiter, die keine anderen Schäden betreuen. Damit wäre die bisherige Form der Spartentrennung abgeschafft.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) lehnt diese Neuerung ab. „Der Status quo, so wie er heute im VAG geregelt ist, hat sich bewährt und stellt sicher, dass denkbare Interessenkonflikte wirksam ausgeschlossen werden können“, sagte ein Sprecher. Der Hintergrund: Eine Reihe von GDV-Mitgliedern befürchtet, dass die Änderung das Geschäftsmodell der separaten Rechtsschutzgesellschaften untergraben könnte. Viele Versicherer bieten wegen des Mehraufwands Rechtsschutz nämlich gar nicht selbst an, sondern vermitteln Policen an spezialisierte Unternehmen.
Maßgeblich vorangetrieben wird die Änderung vom Düsseldorfer Versicherer Arag, aus dessen Sicht die bisherige Regelung europarechtswidrig ist. Denn die EU hatte den Versicherern in ihrer seit 1990 geltenden Rechtsschutzrichtlinie auch die Möglichkeit eröffnet, die neutrale Schadenbearbeitung im Haus durch organisatorische Trennung sicherzustellen. In Deutschland werden die Regeln aber besonders streng umgesetzt. Das Problem des Familienkonzerns: Er hat sich von einer Aktiengesellschaft in eine Societas Europaea (SE) umgewandelt und aus bisherigen Töchtern in Spanien, Italien und anderen EU-Ländern Niederlassungen gemacht. Damit beaufsichtigt die deutsche Finanzaufsicht BaFin auch diese Teile der Firma – und muss dort die strengen deutschen Regeln anwenden.
„In der grenzübergreifenden Praxis führt die deutsche Interpretation der Spartentrennung zu einer rechtlichen Inselsituation im Binnenmarkt“, klagte Arag-Eigner und Konzernchef Paul-Otto Faßbender bei einer Anhörung des Finanzausschusses am vergangenen Mittwoch. Deutsche Unternehmen, die im Ausland auch mit anderen Sparten aktiv seien, müssten zusätzliche Gesellschaften für Rechtsschutz gründen. Das sei ein hoher Mehraufwand.
Neben dem Finanzministerium befürwortet auch die BaFin die Neuregelung, Verbraucherschützer hingegen lehnen sie ab. „Die bisherige Umsetzung der EU-Richtlinie hat sich bewährt“, so Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten.
Quelle: Financial Times Deutschland
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