Der Ergo-Konzern ist kein Erfolgsmodell für Eigner Munich Re. Die Allianz will sich in Deutschland dringend vergrößern – und wäre wahrscheinlich die einzige Versicherungsgruppe, die Ergo kaufen könnte.
Die Traumhochzeit der deutschen Assekuranz ist nicht die vorerst gescheiterte Übernahme der Provinzial Nordwest durch die Allianz. Auch die Fusion der Provinzial-Gesellschaften in Münster und Düsseldorf wäre vergleichsweise kleine Münze. Den Markt wirklich verändern würde die Übernahme der Ergo durch die Allianz.
Das ist natürlich pure Spekulation. Aber für einen solchen Schritt sprechen eine Reihe von Gründen. Die Allianz muss in Deutschland dringend zukaufen. Sie verliert seit Jahren Marktanteile im Kerngeschäftsfeld Schaden- und Unfallversicherung. In der Autoversicherung ist sie schon nicht mehr Marktführer. Das passt nicht in das Geschäftsmodell in Deutschland. Es beruht darauf, dass die Allianz den Takt angibt und die meisten anderen Gesellschaften folgen.
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Allianz bei Marktanteilsverlusten immer nach demselben Muster agiert: Sie hatte in den Schaden- und Unfallsparten einen Marktanteil von rund 20 Prozent, verlor langsam Prozentpunkt für Prozentpunkt, und kaufte zu – damit sie wieder auf 20 Prozent oder darüber kam. Heute hat die Allianz noch 15,9 Prozent. Ergo kommt auf 5,7 Prozent. Zusammen würden die 21,5 Prozent kaum einen Kartellwächter beunruhigen, wohl aber der Allianz wieder eine komfortable Führungsposition bringen.
Alternativen gibt es kaum. Es gibt schlicht nichts anderes zu kaufen. Die öffentlichen Versicherer stehen erst einmal nicht zur Verfügung, die Vereine sind meistens zu klein oder eine Übernahme wäre rechtlich zu komplex. Bleibt Ergo.
Mit der Ergo Lebensversicherung – früher Hamburg-Mannheimer – könnten die Münchener dabei allerdings wenig anfangen. Doch da bietet sich die Lösung an, die Ergo bereits für die eigene Tochter Victoria gefunden hat. Das Unternehmen wurde für das Neugeschäft stillgelegt.
Aber würde die Munich Re verkaufen wollen? Schließlich legt Konzernchef Nikolaus von Bomhard regelmäßig Treueschwüre auf die Tochtergesellschaft ab. Aber auch von Bomhard weiß, dass Munich Re Handlungsbedarf hat. 1997 haben die Münchener durch die Fusion ihrer Beteiligungsgesellschaften Victoria und Hamburg-Mannheimer die Ergo gegründet. Die Begründung: Durch den Erstversicherungskonzern – der Endkunden versichert – könne der Risikogroßhändler Munich Re sein Kapital diversifizieren und auch wirtschaftlich harte Zeiten besser überstehen.
Inzwischen ist klar, dass Ergo mehr eine Bürde als eine Hilfe ist. Die Finanzkrise sorgt dafür, dass Munich Re auf beiden Seiten durch die Niedrigzinsen belastet wird, in der Erst- und der Rückversicherung. Ergo hat zum Gewinn des Konzerns beigetragen, ja. Aber die Erwartungen in der Münchener Königinstraße hat die Düsseldorfer Gesellschaft nicht erreicht.
Dazu kommen die Reputationsprobleme. Die Welle von Skandalen und Skandälchen wurde zwar wesentlich durch verärgerte Ex-Vertreter ausgelöst, die mit ihren Enthüllungen größere Abfindungen erzwingen wollten. Aber damit das überhaupt funktionierte, musste es bei Ergo auch genügend skandalöse Vorgänge geben, mit denen sie Druck machen konnten. In dem Strukturvertrieb HMI – heute Ergo Pro – lagern noch genug schmutzige Geschichten, die auf Enthüllung warten. Und es gibt genügend Ex-Mitarbeiter, die gerne mit dabei waren in Budapest und anderswo, es jetzt aber praktisch finden, mit ihrer intimen Kenntnis den früheren Arbeitgeber bloßzustellen.
Munich Re hatte 2011 nicht die Kraft für einen klaren Schnitt, die Schließung des HMI. Jetzt stellt sich heraus, dass die Marke Ergo spürbaren Schaden genommen hat. Während Munich Re-Chef von Bomhard einer der wichtigsten und geachtetsten deutschen Finanzmanager ist, mutiert Ergo zum eher unbeliebten Versicherer.
Einen anderen Käufer als die Allianz dürfte Munich Re kaum finden. Ausländische Gesellschaften schrecken vor den Problemen der Lebens- und Krankenversicherung zurück. Die inländische Konkurrenz ist, außer Big Blue, zu klein. Und mit der Allianz könnte die Munich Re ein Gegengeschäft machen und einen Teil des Umsatzes der Allianz Re übernehmen.
Ich bin sicher, dass es auf beiden Seiten der Königinstraße Menschen gibt, die sich solche Gedanken auch schon gemacht haben. Vielleicht bedarf es einen externen Schocks, um die Sache voranzubringen – weitere Marktverwerfungen durch die niedrigen Zinsen, beispielsweise. Ein weiterer Vorteil einer solche Übernahme: Munich Re müsste sich keine Gedanken mehr machen, was sie mit der verbrannten Marke Ergo macht.
Erschienen am 18.01.2013 auf Capital.de
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