Versicherer und Kunden verhalten sich oft wie ein altes Ehepaar: Man versteht sich nicht immer so richtig, hat aber das Gefühl, dass man irgendwie zusammengehört. Eine Paartherapie kann die Partner wieder ins Gespräch und damit frischen Wind in die Beziehung bringen.
Der Claim „Versichern heißt Verstehen“ trifft den Nagel auf den Kopf und ist deshalb recht prominent geworden – meiner Meinung nach allerdings zu Unrecht, denn in Wahrheit scheinen weder die Versicherer ihre Kunden noch die Kunden ihre Versicherer so richtig zu verstehen. Die gemeinsame Beziehung ist eher von zahlreichen Missverständnissen, der Blick auf den Partner vom eigenen Wunschdenken geprägt. Eine Paartherapie könnte helfen.
Bitten wir also zunächst die Kunden auf die Couch: Viele neigen dazu, in ihrem Partner – also dem Versicherer – etwas anderes zu sehen als das, was er tatsächlich ist. Die einen vermuten in ihrer Versicherung eher eine Bank oder Sparkasse – in jedem Fall ein Institut, bei dem sie nach einem schadenfreien Jahr über eine Art „Guthaben“ zu verfügen glauben, das sich mit etwas Fantasie in eine schöne Schadenzahlung ummünzen lässt. Die anderen wiederum verwechseln ihre Versicherung mit einer Art Verbraucherzentrale und erwarten, dass kompetente Beratung quasi umsonst zu haben ist. Davon zeugen die zögerliche Verbreitung der Honorarberatung sowie echter Nettotarife.
Auf der anderen Seite der Therapie-Couch sitzen die Versicherer. Die Assekuranz scheint zur Aufklärung der genannten Mythen nur halbherzig beizutragen. Mehr noch: Sie scheint ihrerseits die Vorstellung zu pflegen, dass die tradierten Vertriebs- und Vergütungsstrukturen aus der alten Lebens- und Krankenversicherungswelt weiterhin haltbar sind. Zumindest haben es weite Teile der Versicherungsvertriebe bislang nicht geschafft, nachhaltig Vertrauen beim Kunden darin aufzubauen, dass ihr Ziel die bedarfsgerechte Kundenberatung ist. Es krankt an der „Beziehungspflege“ und so wachsen die Spannungen innerhalb unseres Paares. Die Situation wird umso verzwickter, als sich die Kapitalsammelstelle Versicherung nicht vom Kapitalmarkt entkoppeln kann und somit auch keine dauerhaften Überrenditen zu erwirtschaften vermag, die den alten Garantien (und Kostenstrukturen) Rechnung tragen würden.
Wie im richtigen Leben kann der Paartherapeut nur dazu raten, ausgetretene Pfade zu verlassen und eingeschliffene Verhaltensmuster auf den Prüfstand zu stellen. Dafür aber braucht es den Dialog mit dem Partner – frei nach dem Motto: „Liebling, wir müssen reden!“ Für die Assekuranz heißt das: Sie muss eine Beratung entwickeln, die diesen Namen wirklich verdient. An ihrem Ende sollte der Kunde verstehen können, welche Absicherung er braucht (und welche nicht). Aus der damit einhergehenden Offenheit kann das Vertrauen wachsen, das für einen hoffnungsvollen Neuanfang nötig ist.
Hanns Martin Schindewolf ist CEO der Daimler Insurance Services GmbH.
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