EWR-Krankenversicherer: BdV mahnt BaFin

Der Bund der Versicherten (BdV) wirft der Finanzaufsicht BaFin vor, nicht energisch genug gegen Vermittler vorzugehen, die Kunden sogenannte europäische Krankenversicherungen verkaufen. Die Vertriebe würden Verbraucher häufig irreführen, weil sie so tun, als ob die Policen den Anforderungen der gesetzlichen Versicherungspflicht in Deutschland genügen, kritisiert der BdV. Er hat den Anbieter „FinanzSchneiderei“ jetzt erfolgreich abgemahnt. Eigentlich hätte die BaFin tätig werden müssen, findet BdV-Chef Axel Kleinlein. Schließlich sei ihr das Problem bekannt.

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1 Antwort »

  1. Der BdV hat hier nur teilweise recht.
    Richtig ist, dass einige Vermittler für die Krankenversicherungen von EWR-Dienstleistern sehr agressiv geworben haben und dabei entweder hart an der „Wahrheit“ vorbeigeschrammt sind oder wichtige Fakten nicht klar und eindeutig in der Beratung erkärt haben. Dagegen vorzugehen ist gut und wichtig.
    Aber: es ist nicht richtig, dass eine private Krankenversicherung, die geeignet sein soll, die Versicherungspflicht in Deutschland zu erfüllen, nach Art der Lebensversicherung gerechnet sein muss. Das ist eine immer wieder gern getätigte Aussage des PKV-Verbandes, die rechtlich aber nicht haltbar ist. Das Bundesjustizministerium, welches für das VVG die Federführung hat, hat gegenüber mir mehrfach klargestellt, dass der § 193 VVG ausdrücklich KEINE Verpflichtung zur Berechnung nach Art der Lebensversicherung vorsieht. Tatsächlich gibt es jede Menge private Krankenversicherungen aus Deutschland, die nicht nach Art der Lebensversicherung gerechnet sind und mit denen die Versicherungspflicht trotzdem erfüllt wird:
    1. Altverträge von vor April 2007 – diese sind ausdrücklich als VVG-konform bestätigt im Gesetz. Hier gibt aus der Vergangenheit reine Krankenhaus-Deckungs-Verträge, jede Menge alte internationale Krankenversicherungen und vieles mehr.
    2. Notlagen-Tarif: diese wurde ja erst 2013 eingeführt. Er ist nicht nach Art der Lebensversicherung berechnet, im Gegenteil:bestehende Altersrückstellungen werden hälftig sogar abgebaut.
    3. Ausbildungstarife: sind auch nicht nach Art der Lebensversicherung gerechnet und laufen kraft Gesetz bis Endalter 34.
    4. Tarife für Visausländer nach § 195 VVG – hier wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen im Gesetz, dass nicht nach Art der Lebensversicherung gerechnet werden muss (dafür auf 5 Jahre maximale Laufzeit beschränkt.
    5. Internationale Krankenversicherungen an sich: das Bundessozialgericht hat 2013 in einem wichtigen Urteil festgestellt, dass einen internationale Krankenversicherung (hier: Tricare aus USA) sehr wohl geeignet sein kann, die VErsicherungspflicht in Deutschland zu erfüllen.
    Die Deckungslücken, die hier gerügt werden, finden sich auch in vielen alten deutschen PKV-Tarifen. Es gibt einfach keinen Mindeststandard.
    Das Kündigungsverbot ist eigentlich – wenn denn VAG und VVG wirklich auf die Verträge von EWR-Dienstleistern anzuwenden sind, was europrechtlich kritisch zu betrachten ist – durch den § 208 VVG aufgehoben. Denn nach internationalem Privatrecht bzw Rom-I-Verträgen (§ 46 EGBGB etc.) kann der Gesetzgeber bei Pflichtversicherungen die Anwendung nationalen REchts durchsetzen. Was heisst dass die Teile der AVBs der EWR-Dienstleister, die den versicherten schlechter stellen, nichtig sind und durch VVG-konforme Regelungen zu ersetzen sind. Ein Versicherter bei einem EWR-Dienstleister, dem wegen Nichtzahlung gekündigt wird, hätte vor einem deutschen Gericht eine gute Chance, die Fortführung seines Vertrages mit Verweis auf § 205 VVG zu verlangen. Allerdings sehe ich auch eine gute Chance für die EWR-Dienstleister, gegen diese Regelungen vor dem EUGH zu obsiegen.Den in Deutschland fällt es hier an der konsistenten Zweckverfolgung, letztlich wird hier nur eine Marktabschottung betrieben zu Lasten vieler Verbraucher.
    Auch fraglich ist, ob die Einführung als Pflichtversicherung rechtlich gegeben und erforderlich war und einer Überprüfung vor dem EUGH standhalten würde.
    Last but not least:
    Im Rahmen der Korrespondenzversicherung kann und darf sich jeder Verbraucher solche eine Versicherung über das Internet direkt im Ausland einkaufen. Die gilt dann auch hier in Deutschland und unterliegt nicht der Auffsicht der BaFin (wie auch die über deutsche Makler eingekauften Versicherungen bei EWR-Dienstleistern bis Januar 2016 außerhalb der Auffsicht der BaFin lagen, weil Makler nicht Mittelspersonen sein konnten im Sinne des VAG).
    Und der Versicherungsexperte RA Fiala hat sehr schön dargelegt, dass die VErsicherung durch EWR-Dienstleister als „vergleichbare Ansprüche“ der Absicherung im Krankheitsfall zu sehen sein kann, was dann ebenfalls die Versicherungspflicht in Deutschland erfüllen kann.
    Alles in allem finde ich es gut, dass der BdV hier gegen Auswüchse am Markt vorgeht, wobei m.E. mit der Finanzschneiderei eigentlich ein guter und bemühter Makler getroffen wurde – da gibt es auch andere.

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