AGCS feuert Hartmut Mai und Sinéad Browne

 Leute – Aktuelle Personalien  Joachim Müller (Bild), seit Ende 2019 Chef des Industrieversicherers Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS), baut die Führung des Unternehmens radikal um. Als Teil des Umbaus werden Hartmut Mai und Sinéad Browne den Vorstand und das Unternehmen verlassen. Beide standen bislang an der Spitze zweier Regionen. Mai ist gerade im deutschen Markt sehr bekannt. Neu zur AGCS kommt Renate Strasser, aktuell Chefin der Schweizer Munich Re-Tochter New Re. Die AGCS ist zurzeit der größte Problemfall im Allianz-Konzern. Aber es ist unwahrscheinlich, dass schon 2020 eine Besserung eintritt.

Joachim Müller, Chef des Industrieversicherers AGCS, baut die Führung des Unternehmens radikal um

© Herbert Fromme

Führungsbeben bei der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS): Unternehmenschef Joachim Müller, im November 2019 als Nachfolger des entlassenen Chefs Chris Fischer Hirs ins Amt gebracht, hat sich jetzt auf eine neue Struktur und zahlreiche Veränderungen an der Spitze des Industrieversicherers festgelegt.

Wie bei allem bei der AGCS wird auch in diesem Fall die Holding Allianz SE unter Oliver Bäte ein gewichtiges Wort mitgeredet haben.

Die wichtigsten Veränderungen:

  • Hartmut Mai, 54, verlässt das Unternehmen Ende Juni. Mai stand an der Spitze der Region 1, die aus Afrika, Mittel- und Osteuropa sowie dem Mittelmeerraum besteht. In seine Verantwortung fiel auch das globale Makler-Management.
  • Auch Vorstandsmitglied Sinéad Browne, 47, geht Ende des Monats. Sie war – von London aus – für die Region 3 zuständig, die aus London, den nordischen Ländern, Dubai, der Region Asien-Pazifik und Südamerika besteht. Außerdem betreute sie wichtige Großkunden und Makler.
  • Künftig werden alle Regionen der AGCS außerhalb Nordamerikas von Henning Haagen, 47,  geleitet. Bill Scaldaferri, 53, wird weiter an der Spitze der Region Nordamerika stehen.
  • Renate Strasser, 46, wird neue Chefin des Bereichs Underwriting Specialty. In der Funktion als Chief Underwriting Officer Specialty folgt sie auf Haagen.
  • Thomas Sepp, 52, wird künftig Schadenchef der AGCS, eine Rolle, die unter Fischer Hirs vom Unternehmenschef selbst ausgefüllt wurde. Sepp ist seit 2014 bei der Allianz, vorher war er bei der Zurich und dort weltweit verantwortlich für Schäden.
  • Tony Buckle, 51, kommt von Axa XL zur AGCS. Er übernimmt die Funktion des Chief Underwriting Officers Corporate, die bislang Thomas Sepp innehatte.

Damit reagiert die Allianz-Spitze auf die Probleme in der einstigen Vorzeigegesellschaft AGCS. 2019 hatte die Allianz in diesem sonst so erfolgreichen Geschäftsfeld einen Verlust gemacht. Die AGCS meldete eine Schaden- und Kostenquote von 112,3 Prozent, 10,8 Prozentpunkte schlechter als 2018. Im November 2019 musste AGCS-Chef Chris Fischer Hirs gehen. Nachfolger wurde Müller, bis dahin Chef der Allianz Versicherung und des Vertriebs in Deutschland. Der Konzern musste die Reserven der AGCS um 600 Mio. Euro stärken.

Bislang hatte die AGCS immer die besondere Situation in Nordamerika als Grund für die schwierige Lage der Gesellschaft genannt. 2014 hatte der Konzern seine erfolglose US-Tochter Fireman’s Fund aufgelöst – das Privatkundengeschäft ging an Ace, das Gewerbe- und Industriegeschäft an die AGCS. Diese Altlasten wiegen tatsächlich schwer.

Doch inzwischen werden auch Zweifel an anderen Geschäftsfeldern laut. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s veröffentlichte am 16. Juni 2020 eine Einschätzung des Versicherers, in der sie den Ausblick von stabil auf negativ setzte. Dabei nannte sie Regionen und Geschäftszweige außerhalb der USA als ursächlich für die schlechte Performance – darunter das Haftpflichtbuch in Deutschland.

Offenbar macht die Allianz-Spitze Hartmut Mai auch in diesem Bereich für schlechte Underwriting-Entscheidungen verantwortlich, die jetzt zu hohen Belastungen führen.

Ohnehin hat die AGCS nach Ansicht von Fachleuten ein Problem mit ihrem Portfolio. Bislang hat das Unternehmen in seinen Hauptmärkten nie versucht, eine systematische Bereinigung des Bestandes vorzunehmen – ganz nach dem traditionellen Denkmuster, dass ein Marktführer die wichtigen Kunden nicht vor den Kopf stoßen darf. Stattdessen habe es manchmal „erratische Entscheidungen“ gegeben, sagte ein Marktkenner. In Einzelfällen habe die AGCS ihren Kunden die Risiken vor die Füße geworfen.

Die aktuellen Personalwechsel folgen auf eine Reihe früherer Entscheidungen. Im Oktober 2019 trennte sich die AGCS von Paul O’Neill, der als Chief Underwriting Officer Specialty drei Jahre im Vorstand war. Sein Nachfolger wurde übergangsweise AGCS-Chef Fischer Hirs, der dann einen Monat später gehen musste. Erst im Januar 2020 gab die AGCS bekannt, dass Henning Haagen Nachfolger von O’Neill wird, er zog im März 2020 in den Vorstand ein – und wechselt jetzt, keine vier Monate später, schon wieder den Job. 2018 verließ Vorstand Andreas Berger den Konzern und ging zur Swiss Re. Die heftigen und häufigen Wechsel an der Spitze kamen und kommen bei Kunden und Maklern nicht gut an.

Die 2006 aus verschiedenen Industrieversicherern der Allianz gebildete AGCS galt lange Zeit als Vorzeigeversicherer des Konzerns. Nicht nur schaffte es das Unternehmen unter seinem Chef Axel Theis, die Milliarden-Altlasten aus der Vorgängergesellschaft Allianz Marine and Aviation zu bewältigen, es regelte für die Gruppe auch lautlos die Abwicklung von defizitärem Geschäft in Japan. Die Übernahme des US-Geschäfts 2014 bekam der AGCS aber nicht sehr gut. Dazu kam die Entscheidung Bätes, im Jahr 2014 Fischer Hirs zum Nachfolger von Theis zu machen, als der in die Konzernholding aufrückte. Fischer Hirs wurde mit den Kunden in den Kernmärkten nicht richtig warm, verbrachte viel Zeit an seinem Wohnort Zürich und verprellte manchen Top-Manager.

Jetzt soll Joachim Müller es richten. Die Ziele sind ambitioniert: Er soll den Industrieversicherer zur alten Profitabilität zurückführen. 2020 dürfte das noch nicht gelingen, dafür wird schon die Corona-Krise sorgen. Frühestens Ende 2021 wird Müller auch mit Zahlen zeigen können, ob er erfolgreich ist oder nicht.

Die neuen Vorstände:

Renate Strasser wird Vorstandsmitglied bei der AGCS

© New Re

Renate Strasser, 46, ist seit 2016 Chefin der Munich Re-Tochter New Re in Zürich. Die promovierte Finanzwissenschaftlerin war sechs Jahre Assistenzprofessorin an der Universität Klagenfurt, bis sie 2004 zur Munich Re wechselte. Dort war sie unter anderem Chefin der Abteilung für fakultative Luftfahrt-Rückversicherung, 2016 folgte der Wechsel an die Spitze der New Re.

Tony Buckle, 51, begann seine Karriere in der Finanzwirtschaft bei der Beratungs- und Prüfungsfirma Arthur Andersen. Er ging 1996 zu GE Capital – damals eine große Adresse in der Rückversicherung – und wechselte 2006 zur Swiss Re. 2018 wurde er für das weltweite Großgeschäft von dem britischen Versicherer RSA eingestellt, ging aber im März 2020 zu Axa XL. Offenbar hat ihn das nicht überzeugt, jetzt geht es weiter zur AGCS.

Herbert Fromme

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