Eine Lehre aus dem 11. September 2001

 Herbert Frommes Kolumne  Am Samstag jährt sich der Terrorangriff auf das World Trade Center und das Pentagon mit vier gekaperten Passagiermaschinen. Viele Versicherer und Makler gehörten zu den Opfern. Für die Versicherungsbranche brachte der Überfall einen tiefen Schock – und die Erkenntnis, dass es Schäden gibt, die buchstäblich niemand vorhergesehen hatte. Eine Antwort: Policen müssen klar und transparent sein. Das zeigt sich auch bei den Schäden aus der aktuellen Pandemie.

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2 Antworten »

  1. Der 11. September 2001 ist ein Tag, an dem jeder von uns weiß, was sie oder er getan hat. Ich war damals in der Redaktion Versicherungswirtschaft tätig, als unser IT-Leiter in die Redaktion stürmte und sagte: „Das ist ja der Hammer, was da in New York gerade passiert.“ Da war das erste Flugzeug in den Turm gekracht. Wir glaubten ihm nicht. Selbst auf den Webseiten war nichts zu erfahren, weil sie alle überlastet waren. Nur die Bild-Zeitung hatte keine zu stark frequentierte Webseite, da waren die schrecklichen Bilder aus Amerika dann zu sehen.

    Ich erinnere mich an ein Fax aus dem Hause der Hannover Rück, in dem das Unternehmen bestätigte, dass es sich bei den Anschlägen ganz klar um zwei Ereignisse handelte. Man war sich in Hannover offenbar erst später bewusst geworden, welche Tragweite dieses Statement hatte, und hat die Information stillschweigend von den Webseiten genommen.

    Es folgten harte Märkte, die auch bitter nötig waren. Denn bevor diese ihre Wirkung zeigten, durchlief die deutsche Versicherungswirtschaft das, was ich als „Die große Versicherungskrise“ bezeichne. Die Aktienkurse fielen, stiegen kurz wieder an und fielen dann bis Mitte 2003 ins Bodenlose. Weil die Versicherer übermäßig stark in Aktien investiert waren, ging einer nach dem anderen in die Knie, angefangen mit der Familienfürsorge, die von der Huk gerettet wurde, über die Hannoversche Leben, die von der Aufsicht dann recht ruppig angepackt wurde und schließlich bei der VHV landete. Zurich, Gerling, Allianz, Münchener Rück, sie alle hatten mächtig Schlagseite bekommen, Gerling samt der Globalen Rück ging letztendlich in diesem perfekten Sturm sang- und klanglos unter- Eines der traurigsten Kapitel der vergangenene 20 Jahre.

    Im Öffentlichen Sektor gerieten Provinzial Kiel, die Saarland und die Feuersozietät unter die Räder. Das Berliner Traditionshaus Feuersozietät hatte sich am Luftfahrtgeschäft verhoben, das 2001 das schlimmste Jahr seit seiner Geschichte erlebte. Aus Mangel an Wachstumsideen hatten sich die Berliner in den Londoner Markt begeben und waren dort buchstäblich umgekommen. Unvergessen ist die Kiste mit den verderben bringenden Policen, die keiner haben wollte und letztendlich bei einem Abwickler landete. Ähnliches geschah der Württembergischen, die einen Anteil an der World Trade Center Police gezeichnet hatte, deren Tinte noch nicht getrocknet war, als das Massenmorden begann. Der Massenmord von New York war ein „Schwarzer Schwan.“

    Die Krise war heilsam. Seit 2004 erlebt die Verswicherungsbranche eigentlich nur gute Zeichnungsjahre. Die Katastrophen durch die Oderflut, den Wintersturm Kyrill und jetzt das Julihochwasser stellen unter Beweis, wie gut das Risikomanagement der Versicherer geworden ist.

  2. Die Forderung nach klarerem Policenwording ist zweifellos richtig. Die Streitigkeiten z.B. um die Covid-induzierten Betriebsschließungen haben der Reputation der Branche nun wirklich nicht geholfen. Das Problem setzt aber schon früher an. Ihre Prämisse, dass gewisse Ereignisse „unvorhersehbar“ waren, bedarf der Präzisierung. Sicherlich gibt es die berühmten „schwarzen Schwäne“. Aber allzuoft wird der ornithologische Vergleich als Ausrede für in Wirklichkeit schlechtes Risikomanagement vorgebracht (so N. von Bomhard: „Schwarzer Schwan oder Vogel Strauss“, FAZ vom 1.4.2016).

    Sicherlich brauchte es sehr viel Fantasie, sich vorzustellen, dass – ausgelöst durch den menschengemachten Einsturz zweier Hochhäuser in Manhattan – die FAA die Einstellung des gesamten Flugverkehrs in und nach den USA für eine Woche verfügt. Und daraufhin die Dutyfree-Shops auf sämtlichen Flughäfen der USA keinen Umsatz machen und ihre BU-Policen bemühen. Tad Montross von der General Re hat es damals verglichen mit der Wahrscheinlichkeit, dass beim berühmten Münzwurf nicht „Kopf oder Zahl“ erscheint, sondern die Münze auf der Kante stehenbleibt.

    Aber ist so etwas unvorhersehbar? Ein Vergleich mag bei der Bewertung helfen: bei den Ausfalldeckungen für die Fussball-WM in Südafrika haben kluge (Rückversicherungs-)Köpfe erkannt, dass ein singuläres Ereignis zum sofortigen Abbruch des gesamten Turniers geführt hätte: der Tod Nelson Mandelas. Konsequenterweise wurde die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass ein 92-jähriger, der drei Jahrzehnte seines Lebens unter schlechten Haftbedingungen leben musste, in den 4 Wochen der WM-Dauer sterben würde. Nicht einfach, aber machbar.

    Das „Learning“: Wer es schafft, solide Risikoberechnung mit dieser Art von paranoider Fantasie zu verbinden, der schiebt die Grenze des angeblich „Unvorhersehbaren“ weit nach vorne. Und wird seinen Aktionären (schlimmer noch: Kunden) nicht wortreich erklären müssen, warum „diese Art Cyberangriff oder jene Art von Lieferkettenstörung nun wirklich niemand habe vorhersehen können“- um nur zwei naheliegende Beispiele zu nennen.

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