Wenn der Bundestag an diesem Freitag endgültig die Rentenreform beschließen wird, bekommt Deutschland erstmals eine kapitalgedeckte, private Zusatzvorsorge. Hier spart jeder Beitragszahler für sich. Bei der gesetzlichen Rente, die ebenfalls reformiert wird (siehe Seite 15), finanzieren die Beiträge der jetzigen Einzahler die Bezüge der derzeitigen Rentner.
Dieses Umlagesystem gerät zunehmend in Schwierigkeiten, weil künftig immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner finanzieren müssen. Deshalb soll die gesetzliche Rente über die Jahre schrittweise sinken. Um das auszugleichen, wird eine zusätzliche private Säule der Rentenversicherung eingeführt: So sollen Arbeitnehmer nach dem Willen der Bundesregierung künftig vier Prozent ihres Bruttoeinkommens extra sparen.
Ab 2002 können sie Beiträge von bis zu einem Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung von der Steuer absetzen. Das bedeutet im kommenden Jahr voraussichtlich gut 1050 DM im Westen und rund 890 DM im Osten. Die Sparsumme soll dann alle zwei Jahre um einen Prozentpunkt steigen, bis 2008 also auf vier Prozent.
Um die freiwillige Privatvorsorge zu fördern, können Geringverdiener alternativ eine direkte Zulage bekommen, wenn das für sie günstiger ist. Für Familien gibt es eine Kinderzulage. Insgesamt wird der Staat die private Zusatzrente ab dem Jahr 2008 mit jährlich knapp 20 Mrd. DM subventionieren.
Nachgelagerte Besteuerung Bei der Privatrente ändert die Bundesregierung auch die Steuersystematik: Die Beiträge zur Privatrente sollen steuerfrei bleiben und dann nachgelagert – also bei der Auszahlung im Alter – besteuert werden. Da der persönliche Steuersatz dann in der Regel niedriger ist, hat dies oft Vorteile für die Arbeitnehmer.
Die Förderung vom Staat soll es nur für bestimmte Formen der Geldanlage geben. Zentral sind zwei Kriterien: Anbieter müssen garantieren, dass zum Rentenbeginn mindestens noch die eingezahlten Beträge vorhanden sind. Zudem muss eine monatliche Rente bis ans Lebensende gezahlt werden.
Arbeitnehmer können sowohl privat ihr Geld anlegen oder betriebliche Modelle nutzen. Für Firmenregelungen spricht, dass die zu erwartenden Verwaltungskosten niedriger sein werden, weil Kollektivverträge abgeschlossen werden. Es liegt allerdings an jedem Unternehmen selbst, den Mitarbeitern eine private Zusatzrente anzubieten. Allerdings wollen die Gewerkschaften in den nächsten Tarifverhandlungen auf solche Regelungen drängen. Die Arten von bereits bestehenden Betriebsrenten, die nicht in die neuen Kriterien passen, sollen bis 2008 in Pensionsfonds nach angelsächsischem Vorbild übergehen.
Streit um Immobilien
Noch ist unklar, wie Wohneigentum gefördert wird. Die Grünen fordern dafür besondere Regeln, weil sich die Kriterien auf Immobilien schlecht anwenden lassen. Die SPD betont, es liege an den Anbietern, geeignete Produkte zu entwickeln.
Das Bundesbauministerium hatte ein Modell entwickelt, wonach Geld aus der geförderten Altersvorsorge zum Kauf eines Hauses oder einer Wohnung ausgezahlt werden kann. Diese Summe könnte etwa mit dem halben Steuersatz belegt werden, um bei der Steuer ähnlich wie andere Formen der Vorsorge behandelt zu werden. Durch Vermerk im Grundbuch solle sicher sein, dass das Geld auch wieder zur Altersvorsorge angelegt wird, wenn eine Immobilie verkauft wird. Notwendig wäre auch, dass solche „Altersvorsorge-Immobilien“ nicht pfändbar wären. Noch jedoch passt auch das Modell aus dem Bauministerium nicht vollständig in den Förderkriterien-Katalog des Arbeitsministeriums. Die Bausparkassen warnen sogar davor, die Bauförderung und die Altersvorsorge zu vermischen.
Wie die Grünen wollen auch viele Bundesländer Änderungen bei den Förderkriterien und den dadurch möglichen Vorsorgeprodukten durchsetzen. Sie haben eine Chance, weil das Altersvermögensgesetz, das die Privatvorsorge zum Inhalt hat, im Bundesrat zustimmungspflichtig ist.
Damit Finanzbeamte nicht einzeln prüfen müssen, ob ein Produkt subventioniert werden kann, will Bundesfinanzminister Hans Eichel eine Zertifizierungsstelle beim Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen einrichten. Sie soll prüfen, ob eine Anlage die elf Kriterien zur Förderung erfüllt.
www.ftd.de/rente
Kommentar
Seite 29
Privatvorsorge wird großzügig gefördert Staatssubvention
Ab 2002 kann ein Prozent des Einkommens bis zur Beitragsbemessunggrenze steuerfrei für die Altersvorsorge gespart werden. Alle zwei Jahre steigt die Summe um einen Prozentpunkt, bis zur Maximalförderung von vier Prozent im Jahr 2008.
Maximalförderung
Um sie zu erhalten, muss beispielsweise ein Single mit einem rentenversicherungspflichtigen Einkommen von 100000 DM im Jahr 2009 insgesamt 4000 DM sparen. 300 DM davon zahlt ihm der Staat als Grundzulage, weitere 1286 DM bekommt er über den Sonderausgaben-Abzug als zusätzliche Steuerersparnis. An Eigenmitteln muss er also 2414 DM aufwenden. Bei Ehepaaren bekommt jeder die Zulage, pro Kind gibt es zusätzlich je 360 DM.
Förderkriterien für Anbieter Die Anbieter müssen garantieren, dass die eingezahlten Beiträge auch wieder ausgezahlt werden. Die Abschluss-und Vertriebskosten müssen über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren verteilt werden. Einmal im Jahr müssen die Anbieter über Beiträge, die Kosten und das angesammelte Kapital informieren.
Förderkriterien für Sparer
Das Vorsorgekapital kann nicht verpfändet oder beliehen werden. Eine Auszahlung ist ab dem 60. Lebensjahr und in monatlichen Raten möglich. Das Risiko der Erwerbsunfähigkeit kann mit maximal 15 Prozent, das des Todesfalls mit fünf Prozent der Beiträge abgesichert werden.
Produkte Noch gibt es in Deutschland kein Vorsorgeprodukt, das all diese Kriterien erfüllt. Versicherungen und Banken gehen davon aus, dass die meisten Produkte ähnlich wie private Rentenversicherungen aufgebaut sein werden.
Dt. Politik – JOKER/David Ausserhofer
Von Margaret Heckel, Berlin, und Herbert Fromme, Köln
*Margaret Heckel* *Herbert Fromme*
JOKER/David Ausserhofer
Noch ist die Rentenreform nicht in Kraft. Wir antworten auf Fragen von Lesern und geben so den letzten Stand der Gesetzentwürfe wieder, die gestern im Ausschuss beschlossen wurden.Soll man schon ab 2002 mit dem Zusatzsparen anfangen oder lieber noch warten?Das hängt stark davon ab, ob dann schon genügend interessante Produkte angeboten werden. Die Förderbeiträge im Jahr 2002 sind noch sehr gering, sie liegen bei einem Prozent der Lohnsumme und steigen dann alle zwei Jahre um einen weiteren Prozentpunkt. Die Höchstförderung gibt es erst ab dem Jahr 2008.
Kann man eine bestehende freiwillige Rentenversicherung anrechnen ?Im Prinzip ja, aber sie muss umgewandelt und auf die Förderkriterien angepasst werden. Laut Gesetzesbegründung bleiben die vor der Umwandlung gezahlten Beiträge und auch die Erträge steuerfrei. Bei vielen Lebensversicherungen ist aber Vorsicht geboten, weil es günstiger sein kann, die Steuerfreiheit der Erträge nach Ablauf der Versicherung auszunutzen, die es bei der geförderten Privatvorsorge nicht gibt.
Mit welcher Rendite werde ich beim Zusatzsparen rechnen können?Da sind seriöse Antworten schwer möglich. Drei bis vier Prozent sollten mindestens drin sein, wenn man die Erträge der Lebensversicherer in den letzten Jahren als Maßstab nimmt.
Kann ich meine Ansprüche aus dem Zusatzsparen vererben?In der Ansparphase sind die Gelder vererbbar, der Erbe muss dann allerdings die Steuervergünstigungen zurückzahlen. Sobald die Gelder als Rente ausgezahlt werden, sind sie wie alle Leibrenten nicht vererbbar. Anleger können bei der Wahl ihres Vertrages ein Produkt mit einer zusätzlichen Hinterbliebenenversorgung wählen, was allerdings Renditepunkte kosten wird.
Wie kann ich erkennen, welches Sparprodukt zertifiziert ist? Was passiert, wenn ich ein nicht zertifiziertes Produkt abschließe?Jedes anrechnungsfähige Produkt muss von einer staatlichen Stelle – nach derzeitigem Stand das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen – zertifiziert sein. Geeignete Altprodukte, also bereits abgeschlossene Verträge, können nachträglich zertifiziert und anschließend angerechnet werden. Sonst gibt es keine staatliche Hilfe.
Sind die Subventionen von meinem Gehalt abhängig? Ja. Die Beiträge, die aufgewendet werden müssen, um die volle Subvention zu erhalten, richten sich nach dem sozialversicherungspflichtigen Einkommen des Vorjahres.
Können beide Ehepartner sparen? Es können beide Ehepartner sparen. Wenn nur einer verdient, kann trotzdem die Förderung für zwei in Anspruch genommen werden.
Wird die Subvention de facto ausgezahlt oder soll sie mit meiner Steuerlast verrechnet werden? Je nachdem. Wenn der Sonderausgabenabzug für den Steuerpflichtigen günstiger ist, wird der Zuschuss direkt mit der Einkommensteuer verrechnet. Andernfalls wird die Zulage direkt vom Finanzamt auf den Vertrag beim Anbieter überwiesen.
Kann ich das Zusatzsparen bei einem Antrag auf Lohnsteuerermäßigung berücksichtigen?Bis jetzt nicht. Es gab diesen Vorschlag, der aber im jetzigen Text nicht enthalten ist. Geplant ist, dass das Finanzamt nach Abgabe der Steuererklärung ausrechnet, was günstiger ist: Steuernachlass, wenn Sonderausgaben-Freibeträge vorhanden sind, oder Überweisung des Förderbetrages an den Anbieter (Lebensversicherung und ähnliches) direkt durch das Finanzamt.
Kann ich über die subventionierte Summe hinaus sparen oder gibt es feste Grenzen?Man kann über die Höchstsumme hinaus sparen. Die Beträge, die man darüber hinaus spart, muss man dann individuell aus versteuertem Einkommen bezahlen – nicht aus steuerfreiem Einkommen wie bis zur Höchstsumme.
Ist das Zusatzsparen von der Mehrwertsteuer befreit? Wird es der Versicherungssteuer unterworfen Es müssen weder Mehrwertsteuer noch Versicherungssteuer gezahlt werden, die Versicherungssteuer gibt es bei der Lebensversicherung nicht.
Dürfen Geschäftsführer und sonstige Leute, die von der Versicherungspflicht bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) befreit sind, wieder in die BfA eintreten und von der Subvention für das Zusatzsparen profitieren? Das würde sich kaum lohnen, da sie dann auch die gesetzlichen Rentenbeiträge entrichten müssen. Allerdings können sich auch Selbständige und Geschäftsführer freiwillig bei der BfA versichern.
Was ist ein Eckrentner?Jemand, der 45 Jahre lang immer genau durchschnittlich verdient und so pro Jahr einen Rentenpunkt erworben hat. Derzeit bekommt er eine monatliche Rente von 2186,10 DM.Was machen mobile Menschen, die ein paar Jahre im Ausland arbeiten? Wer für einen deutschen Arbeitgeber im Ausland arbeitet, zahlt in der Regel weiter Sozialabgaben in Deutschland, wenn der Arbeitgeber das beantragt. Dann läuft auch die Sparförderung weiter. Wer bei einem ausländischen Arbeitgeber beschäftigt ist, zahlt in der Regel in die dortigen Sozialkassen ein. Bei Ländern, die mit Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen haben, wird diese Zeit als Wartezeit für die deutsche Rente angerechnet. Wer also beispielsweise drei Jahre in den USA und drei Jahre in Deutschland zahlt, hat die notwendige Schwelle von fünf Jahren Beitragszeit erreicht und bekommt ab 65 eine Altersrente – und zwar sowohl aus Deutschland wie aus den USA.
Sind die Mitteilungen über die Höhe der zu erwartenden gesetzlichen Rente rechtlich bindend, die die BfA künftig verschicken wird? Nein. Ab 2002 wird die BfA dieses so genannte Renteninfo in der Pilotregion Baden-Württemberg verschicken, spätestens ab 2004 erhalten es alle Beitragszahler. Es wird die Rentenhöhe nach den bisherigen Beiträgen und dem heutigen Stand sowie eine unverbindliche Hochrechnung auf das 65. Lebensjahr enthalten.
Welche Kosten und welcher Verwaltungsaufwand kommen auf Unternehmen zu, wenn sie Betriebsrenten einführen wollen? Das kann man nicht abschätzen. Die geplanten Pensionsfonds werden wohl meist von externen Anbietern verwaltet. Für Arbeitnehmer dürften die Kosten geringer sein als bei den Angeboten, die Banken oder Versicherungen machen.
Haftet der Arbeitgeber für nicht abgeführte Sparbeiträge der Arbeitnehmer? Das gilt im Wesentlichen für die betriebliche Altersvorsorge, also die Pensionsfonds: Wenn der Arbeitgeber schuldhaft nicht überweist, haftet er dafür.
Quelle: Financial Times Deutschland
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