Rauere Sitten führen zu vermehrten Ansprüchen an Vorstände und Aufsichtsräte. Von Herbert Fromme
Der ältere Geschäftsmann beschreibt sich nicht ungern als professioneller Aufsichtsrat. Nach erfolgreicher Karriere als Manager gibt er heute seine Erfahrungen als Mitglied diverser Gremien weiter – es macht ihm Spaß und ist obendrein lukrativ. Doch im Moment ist ihm die Freude an der Arbeit etwas vergällt. Nach einer Unterhaltung mit einem befreundeten Rechtsanwalt wurde ihm klar, dass seine Aktivitäten hoch riskant sind – für ihn persönlich mit seinem Privatvermögen.
„Der Mann hat eine völlig unzureichende Versicherung für seine Aufsichtsratstätigkeit“, erläutert Michael Hendricks vom Düsseldorfer Beratungsunternehmen Hendricks und Partner. „Ihm ist klar geworden, dass er mit seinem privaten Vermögen bis auf den letzten Pfennig haftbar gemacht werden kann.“
Solche Aha-Erlebnisse hat in Zeiten stürzender Aktienkurse und streitlustiger Aktionäre so mancher Vorstand, Aufsichtsrat oder Geschäftsführer. Bei den Top 500 der deutschen Wirtschaft gehört eine ordentliche Manager-Haftpflichtversicherung – in der Regel D&O-Versicherung (Directors‘ and Officers‘ Liability Insurance) genannt – inzwischen zum Standard. Aber viele junge Unternehmer, die bei ihren wenige Jahre oder Monate alten Unternehmen das Dasein in der Chefetage auch unter Krisenbedingungen noch üben, haben kaum genaue Vorstellungen über die Risiken. Dabei kann die gerade gekaufte teure Eigentumswohnung mit Rhein-, Main-oder Isarblick viel schneller weg sein als ihre Bewohner glauben.
Die wachsende Aktienkultur in Deutschland bringt auch eine andere Streitkultur mit sich. Agfa verklagt die Deutsche Bank wegen Holzmann, US-Großaktionäre legen sich mit Daimler-Chef Schrempp wegen der Chrysler-Übernahme an, verärgerte Anleger wollen das Management von EM.TV vor den Kadi zerren. Insgesamt wächst die Sensibilität in Unternehmen: nach einem fehlgeschlagenen kostspieligen Merger-Versuch oder nach hohen Verlusten aus mangelhaft kontrollierten Investments möchte so mancher Aktionär oder GmbH-Eigner die Manager finanziell zur Verantwortung ziehen.
Erleichtert werden solche Ansprüche durch eine veränderte Gesetzeslage und die Rechtsprechung. Die
Trotz dieser Risiken gilt die D&O-Police eher als exotisch. Zu Unrecht, denn gemessen am möglichen Schaden sind die Deckungen preiswert: „Seit 1996 ist der Preis pro 1 Mio. DM Deckungssumme von 12000 DM auf 4500 DM gesunken“, weiß der Fachjurist Joseph Schilling, Vorstand von Hiscox Managerline. „Für ein kleines Unternehmen mit 5 Mio. DM Deckungssumme ist die Police für rund 20000 DM pro Jahr zu haben“, ergänzt Hendricks. Bei Großkonzernen geht die Beitragsrechnung in die Millionen. Die Beiträge sind, jedenfalls zum Teil, als geldwerter Vorteil von den versicherten Managern zu versteuern. Aber das sollte Sie auf keinen Fall davon abhalten, diese Versicherung zu verlangen, ehe sie ein Vorstands-oder Aufsichtsratsmandat annehmen.
Zur Zeit bieten etwa 20 Unternehmen D&O-Deckungen an. Seit 1985 sind US-Versicherer im deutschen D&O-Markt tätig – damals hielten ihre hiesigen Konkurrenten das Risiko für prinzipiell unversicherbar. Chubb, AIG und Ace sind immer noch gut in dem Spezialsegment vertreten. Die deutsche Assekuranz hat ihre ablehnende Haltung inzwischen aufgegeben. Allianz, Axa, HDI, R+V, die VOV-Zeichnungsgemeinschaft und Zürich gehören zu den bekannten Anbietern.
Inzwischen hat die D&O-Versicherung die Manager-Rechtsschutzversicherung fast völlig verdrängt. Der Trend ist verständlich: Die D&O-Deckung zahlt nicht nur bei der Abwehr von Ansprüchen wie die Rechtsschutzversicherung, sondern auch, wenn es zum Haftungsfall kommt. „Der ist aber eher selten“, sagte Hendricks. „In den meisten Fällen bleibt es bei den Anwaltskosten oder bei einem Vergleich.“ Das spricht nicht gegen hohe Versicherungssummen: Auch die Stundenhonorare teurer Fachanwälte können in die Millionen gehen.
Hendricks rät allen Managern, sich beim Abschluss einer D&O-Police nicht einfach an den Vertragstext des Versicherers zu halten. „Da gibt es gelegentlich Klauseln, die sehr ungünstig für den Versicherten sind.“ Das beste Beispiel: Manche Versicherung schließt die Leistung bei Vorsatz aus. Aber wie kann ein Manager sich vor Gericht gegen den Vorwurf wehren, er habe vorsätzlich gehandelt und beispielsweise den Aufsichtsrat nicht eingeschaltet, wenn die Versicherung seine teuren Anwälte nicht zahlt? „Sie müssen auf dem vollen Schutz auch im Falle einer Vorsatzbehautpung bestehen“, erläuterte Hendricks. Er hat die Erfahrung gemacht, dass alle D&O-Versicherer entsprechende Versicherungsbedingungen akzeptieren, wenn der Kunde das verlangt.
Quelle: Financial Times Deutschland
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