Verbraucher sollten keine großen Erwartungen in die Zertifizierung von Riester-Renten-Produkten setzen. Das sagte Helmut Müller, Präsident des Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) in Bonn, das als Zertifizierungsbehörde eingesetzt wurde. „Wir fungieren hier eigentlich als Finanzamt“, sagte er. Die Zertifizierung entspreche einer Finanzamtsbescheinigung für die steuerliche Behandlung eines Finanzprodukts.
„Der Begriff Zertifizierung wird in der Regel mit einem Gütesiegel verwechselt“, sagte Ingo Möllhoff, Abteilungsleiter im BAV und Chef der Arbeitsgruppe Zertifizierung. „Das Zertifikat ist aber kein Qualitätsurteil.“ Möllhoff griff Versicherer wegen ihrer „marktschreierischen Werbung“ an. „Es ist unerträglich, welchen psychischen Druck manche Anbieter auf Kunden ausüben.“ Da werde der Eindruck vermittelt, wenn der Kunde nicht sofort handele, verlöre er den Anspruch auf 32000DM staatliche Förderung.
Das Amt bereitet sich zurzeit auf den Riester-Ansturm vor. Am 1. August tritt das Zertifizierungsgesetz in Kraft. „Wir erwarten nach einer groben Schätzung in diesem Jahr 20000 Anträge von Anbietern auf Zertifizierung, und weitere 20000 im ersten Halbjahr 2002“, sagte Möllhoff. Das müsse das Amt mit zwischen 40 und 70 Beschäftigten bewältigen, je nachdem ob es gelinge, eine aushäusige EDV-Lösung zu verwirklichen, sagte Möllhoff. Dafür stünden dem BAV, das rund 300 Mitarbeiter hat, keine neuen Planstellen zur Verfügung.
Die Riester-Rente wird nur staatlich bezuschusst oder steuerlich gefördert, wenn sie bestimmten Kriterien entspricht. Dazu gehört die Garantie des eingezahlten Kapitals. Nur die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen wird durch das Zertifikat gezeigt.
Möllhoff sagte, die Prüfung müsse bis zum 1. Januar abgeschlossen sein. Eine Einzelprüfung sei kaum möglich. Deshalb könnten Spitzenverbände der Anbieter – Banken, Sparkassen, Versicherer und Fonds – Vertragsmuster zertifizieren lassen. Gespräche darüber fänden bereits statt. „Wir gehen dann davon aus, dass Anbieter, die sich auf ein Muster berufen, sich daran auch halten“, sagte Möllhoff. Das Amt werde nicht mehr jedes einzelne Angebot mit dem zertifizierten Muster vergleichen können. Sollte sich später herausstellen, dass ein Anbieter doch nicht konforme Bedingungen verwendet hat, müsse das Amt dann die Zertifizierung zurückziehen. Dies habe aber keinen Einfluss auf bereits abgeschlossene Verträge, sagte Möllhoff. Er musste sich aber kurz darauf korrigieren: Eine Aberkennung des Zertifikats könne auch bereits geschlossene Verträge beeinflussen. Das scheint auch folgerichtig, denn schließlich fällt die Grundlage für staatliche Zuschüsse weg. Nicht nur hier zeigten die Spitzenbeamten des BAV, dass sie noch erhebliche Schwierigkeiten mit dem unhandlichen Gesetzestext haben.
BAV-Präsident Müller mahnte eine bessere personelle Ausstattung der Versicherungsaufsicht an. Das 100 Jahre alte Amt sei durch Internationalisierung und die Herausbildung von Finanzkonglomeraten vor neue Herausforderungen gestellt. „Gleichwohl hat das BAV durch laufenden Stellenabbau heute weniger Personal als 1990 und 1995.“ Auch der Umzug von Berlin nach Bonn im letzten Jahr hatte negative Auswirkungen auf die Personallage. Die Aufwendungen für das BAV, die zu 90 Prozent von den Versicherern aufgebracht werden müssen, fielen von 40,5 Mio.DM in 1995 auf 39,3 Mio.DM in 2000. 1996 führte das Amt noch 101 Prüfungen vor Ort durch, 2000 wegen Personalmangel nur noch 66. „Ein Versicherer wird nach derzeitigem Stand lediglich alle zehn bis zwölf Jahre geprüft. Internationaler Standard sind drei bis fünf Jahre“, sagte Müller. Versicherungskunden, die sich beim BAV beschweren, müssen oft monatelang warten. Auch die internationale Präsenz der deutschen Aufsicht in wichtigen Gremien leide.
Von der neuen gemeinsamen Finanzaufsicht über Versicherungen, Banken und Wertpapierhäuser, die am 1. Januar 2002 gebildet wird, erwartet Müller bei aller Zusammenarbeit eine klare Trennung der drei Säulen. „Die Risiken unterscheiden sich grundlegend. Eine Vermischung der spezifischen operativen Aufgaben wäre schädlich.“ Die neue Anstalt unterliegt nicht mehr den starren Regeln des öffentlichen Dienstrechts. Davon erhofft sich der BAV-Präsident mehr Flexibilität. „Es geht nicht darum, dass wir alle mehr verdienen wollen“, sagte er. Aber heute könne er manchen guten Mann nicht einstellen, weil er die Laufbahnvoraussetzungen nicht erfülle.
Reserviert zeigte sich der BAV-Präsident zur Bildung von Allfinanzkonzernen. „Wir sind nicht begeistert, wenn Versicherungen Banken kaufen. Da kommen große Risiken auf die Versicherungen zu.“ Es könne zu Situationen kommen, in denen ein Versicherer dann seiner Bank helfen müsse. Patronatserklärungen von Versicherern für Banken seien aber nicht zulässig, sagte Müller.
Quelle: Financial Times Deutschland
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