Zerrüttete Beziehung

Zwischen Preussag-Chef Frenzel und Hapag-Lloyd-Chef Wrede hat die Chemie nie gestimmt. Der Abgang des Hanseaten ist nur das letzte Glied in einer Kette von Demontagen

Von Alexandra Borchardt und Jenny Genger, Hamburg, und Herbert Fromme, Köln Wenn Bernd Wrede Besuch empfängt, gibt es für ihn einen Zeitmesser: seine Zigarre. Zu Beginn des Gesprächs zündet sie der Hapag-Lloyd-Chef an, und wenn er sie aufgeraucht hat, ist die Audienz zu Ende. Der Manager ist der Prototyp des Hamburger Kaufmanns: Dunkelblauer Anzug, gestreiftes Hemd, meist mit weißem Kragen, goldene Manschettenknöpfe. Fast zwei Jahrzehnte hat er das Traditionsunternehmen am feinen Ballindamm als Vorstand geprägt.

Nun ist die Ära Wrede an der Alster vorbei. Am Dienstag hat der Touristikkonzern Preussag, die Mutter des Hamburger Reederei-und Logistikunternehmens, in einer dürren, fünfzeiligen Mitteilung bekannt gegeben, dass der 58-Jährige das Unternehmen zum Jahresende verlasse. Sein Vertrag werde nicht verlängert.

Die Nachricht, so ist aus der Hapag-Firmenzentrale zu hören, habe die Belegschaft wie „aus heiterem Himmel“ getroffen – und stark verunsichert. Zwar steht Wrede bei seinem Mitarbeitern im Ruf, ein harter, kaltherziger Sanierer zu sein. Zugleich galt er bei seiner Truppe als letzter Garant für den Fortbestand von Hapag-Lloyd als Ganzem.

Der äußerst selbstbewusste und eigenwillige Hamburger hat die einst konkursreife Reederei in einen profitablen Transport-und Logistikkonzern verwandelt, der weit höhere Renditen einfährt als das Touristikgeschäft der Muttergesellschaft in Hannover. So verhinderte er bislang eine Zerschlagung von Hapag-Lloyd. Ganze eineinhalb Zeilen des Dankes ist Preussag diese Leistung wert.

Trauriges Ende einer Erfolgsstory

Das traurige Ende von Wredes Karriere – er soll nicht einmal wie sonst üblich in den Aufsichtsrat einziehen – ist nur das letzte Glied in einer Kette von Demontagen, die ihm durch Preussag-Chef Michael Frenzel zugemutet wurden. Sie ist der letzte Akt in einem Zerwürfnis zweier Machtmenschen, bei dem der eine sich gegen den anderen durchgesetzt hat.

Das Verhältnis zwischen Frenzel und Wrede gilt schon seit längerem als stark unterkühlt. Der Grund lag weniger in sachlichen als in persönlichen Differenzen. „Die Chemie stimmte einfach nicht“, so ein Beobachter von Hapag-Lloyd.

Zwei ungleiche Machtmenschen

In der Tat haben der Bilderbuchhanseat Wrede, der die Buchstaben „st“ in feiner norddeutscher Manier noch einzeln betont, und der Macher aus Hannover kaum etwas gemeinsam. Während Frenzel binnen kürzester Zeit aus einem bunt zusammengewürfelten Stahl-, Schiffbau-und Transportkonglomerat einen dynamisch wachsenden Touristikkonzern schmiedete und zukaufte, was ihm zwischen die Finger kam, verkörpert Wrede den korrekten Kaufmann wie kein anderer. Er ist berühmt für seine konservativen Bilanzierungsmethoden. Für seine Charterflieger wählte er stets die kürzestmögliche Abschreibungsfrist.

Schon ein Besuch in den Firmenzentralen der beiden Topmanager genügt, um zu erkennen, dass hier zwei Welten aufeinander prallen. Frenzel hat sein Büro in einem gesichtslosen Zweckbau eines Industriegebiets von Hannover. Wrede residiert wie ein Fürst, direkt an der Hamburger Binnenalster. Von seinem gediegenen 40 Quadratmeter großen Büro blickt er direkt auf die Fontäne, die er selbst sponsert.

Das Zerwürfnis der beiden Manager beginnt wenige Monate nach der Übernahme von Hapag-Lloyd durch Preussag. Wrede, der diesen Kauf nicht gewollt und bei seinen Gesellschaftern vergeblich für eine breite Platzierung der Hapag-Lloyd-Anteile geworben hat, scheint sich zunächst mit den neuen Machtverhältnissen zu arrangieren. Zumal er gemeinsam mit Frenzel im September 1997 die Mehrheit an dem Urlaubsriesen TUI erwirbt und damit bilanztechnisch erheblich an Gewicht zulegt.

Hapag-Lloyd, so sei es abgemacht, werde „als Teilkonzern von Preussag in seiner alten Struktur weitergeführt und erheblich ausgebaut“, tröstete sich Wrede damals über den Verlust seiner Unabhängigkeit hinweg. Und Frenzel beruhigte: „Hapag-Lloyd und TUI sind zwei starke Marken. Es wäre daher völlig falsch, die eine oder andere Marke aufzugeben.“

Kurze Zeit später folgt der erste Teil der Demontage des Bernd Wrede. Nach einer Anstandsfrist werden ihm sämtliche Kompetenzen für die Touristik – bis auf die Kreuzfahrt – entzogen, die Reisebüros und die Charterflieger peu à peu in den Preussag-Konzern integriert. „Es missfiel dem Hapag-Lloyd-Chef gründlich, nur noch eine von vielen Niederlassungen im Preussag-Konzern zu sein“, erinnert sich ein Branchenkenner.

Als Gegenleistung erhält Wrede von Preussag die Transport-und Logistikfirma VTG-Lehnkering, die ihr Geld in der Binnenschifffahrt, im Bahnverkehr und in der Lagerhaltung verdient, sowie die französische Algeco, die Wohncontainer für Baustellen vermietet. „Es lässt sich nicht leugnen“, bemerkt der Hapag-Lloyd-Chef spitz, „dass der Abgang wertvoller ist als der Zugang.“

Wrede hofft zunächst noch, für die Machteinbuße mit einem Platz im neu organisierten Holdingvorstand entschädigt zu werden. Doch daraus wird nichts. Er muss sich mit einem Posten als Bereichsvorstand begnügen. Die selbstherrliche Art des Hanseaten passte nicht in die Führungsphilosophie des Hannoveraner Konzernchefs.

Goldesel des Konzerns

Für Frenzel steht schnell fest, dass er Wrede im neuen Stammgeschäft, der Touristik, keine zentrale Funktion geben würde. Zu schnell wäre er mit dem stolzen, statusbewussten Manager aneinander geraten.

Die Touristikvorstände der Preussag, Ralf Corsten und Charles Gurassa, müssen sich öfter einmal gefallen lassen, dass ihr oberster Chef operativ ins Geschäft eingreift. So bleibt Wrede die Rolle des Goldesels, der mit seiner lukrativen Logistiksparte die teure Expansion im Touristiksektor finanziert.

Zuletzt präsentierte der Hapag-Lloyd-Chef im April 2001 für das vergangene Geschäftsjahr einen Gewinn von 181 Mio. Euro, zweieinhalb mal so viel wie im Vorjahr. Damit war sein Unternehmen das erfolgreichste im Preussag-Imperium. Wirklich interessiert hat sich Frenzel für dieses Geschäftsfeld nie.

Nachdem Wrede im Personalpoker um einen der vier Top-Posten im Konzernvorstand unterlegen ist, hofft er, zumindest wieder mehr Unabhängigkeit in Hamburg zu bekommen. Weniger als ein Prozent der Hapag-Lloyd-Aktien befinden sich in Streubesitz. Ein Börsengang der Logistiktochter, den Preussag Anfang 2000 in Erwägung zieht, hätte den Einfluss der Hannoveraner verringert.

Doch Wrede wurde auch diesmal enttäuscht. Die Aktion wurde vorigen Herbst abgesagt.

„Fortan ging zwischen den beiden nichts mehr“, beschreibt ein Beobachter aus Hannover die Situation. „Auf den endgültigen Bruch hat man hier seit langem gewartet“.

Dass der Rauswurf erst jetzt kam, hat vor allem damit zu tun, dass Wredes Vertrag zum 31. Dezember ausläuft. „Ihn vorzeitig zu entlassen wäre zu teuer geworden“, vermutet ein Preussag-Manager.

Einen strategischen Grund für dieses Timing schließen Insider aus. Entgegen neuer Spekulationen gebe es keine Pläne, die Hamburger Tochter an einen strategischen Investor zu verkaufen. Ein solches Vorhaben wäre mit Wrede wohl kaum zu machen gewesen.

Zwar benötigt Preussag-Chef Frenzel für seine weitere Expansion im Touristikgeschäft dringend Geld. Und da Hapag-Lloyd nicht zum Kerngeschäft der Hannoveraner gehört, würde ein Verkauf durchaus Sinn machen. Zumal der Goldesel allmählich unter Verstopfung leidet.

Doch im Moment hat keine der großen Reedereien weltweit das Kapital für eine milliardenschwere Übernahme. Selbst die üblicherweise ertragsstarken Hamburger leiden im wichtigen Frachtgeschäft unter der gegenwärtigen Flaute. Branchenexperten zufolge sollen die Umsätze im zweistelligen Bereich abgerutscht sein. Zudem brechen seit dem 11. September überall in der Kreuzfahrtbranche die Passagiere weg.

Die schlechten Zahlen, so glauben Insider, hätten es Frenzel am Ende leicht gemacht, sich von Wrede zu trennen. Zumal er sich bei den jüngsten Diskussionen, wie Kosten gesenkt werden könnten, gegen die Auflegung von Schiffen und die Entlassung von Mitarbeitern gesträubt haben soll.

Passenderer Nachfolger

Nachfolger an der Spitze von Hapag-Lloyd wird der 50-Jährige Michael Behrendt, bislang Vorstandschef von VTG-Lehnkering und im Führungsgremium von Hapag-Lloyd. Dies hat die Preussag-Zentrale in Hannover gestern bestätigt.

Der Jurist hat einen entscheidenden Vorteil: Im Gegensatz zu Bernd Wrede soll Michael Behrendt so eine Art „Frenzel II“ sein. Damit stimmt künftig immerhin die Chemie.

Zitat:

„Auf den endgültigen Bruch haben wir hier seit langem gewartet“ – Ein Beobachter in Hannover über den Dissens der Topmanager

„Ihn vorzeitig zu entlassen wäre zu teuer geworden“ – Ein Preussag-Manager über das Ausscheiden von Bernd Wrede

Bild(er):

Zwei knallharte Manager, die sich nicht mochten: Preussag-Chef Michael Frenzel und Hapag-Lloyd-Chef Bernd Wrede – AP/Christof Stache, Netzhaut asdasdasdasd yscycyxcyxcyxc.

Quelle: Financial Times Deutschland

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