Von Herbert Fromme, Köln Die Bundesregierung plant überraschend eine Änderung des Steuerrechts, nach der Versicherer die ab 2002 anfallenden steuerlichen Verluste aus Lebens-und Krankenversicherung nicht mehr mit Gewinnen aus anderen Geschäftsbereichen verrechnen können. Die Änderung soll gegen den massiven Protest der Branche schon in dieser Woche Gesetz werden. Sie würde für alle Versicherungsgruppen zu höheren Steuerzahlungen als erwartet führen. Allerdings würden die Versicherer wegen der am 2002 in Kraft tretenden Steuerreform selbst nach einer solchen Veränderung besser dastehen als bisher.
Ursprünglich wollte die rot-grüne Koalition die Änderung schon am letzten Mittwoch im Finanzausschuss durchsetzen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) protestierte energisch. „Mit Befremden“ habe er von dem „unverantwortlichen Eilverfahren“ Kenntnis erhalten, schrieb GDV-Präsident Bernd Michaels an Finanzminister Eichel.
Der Protest bewirkte, dass die Koalition die Maßnahme verzögerte, sie soll diese Woche Mittwoch verabschiedet werden. Vorher haben die Versicherer genau 90 Minuten Zeit, dem Finanzausschuss ihre Position zu erläutern. Die Angelegenheit ist so wichtig, dass fünf Konzernchefs und Vorstandsmitglieder antreten. Ihre einzige Chance: der Bundesregierung eine Alternative vorzulegen, die den Initiatoren des Gesetzes entgegen kommt. Vor allem sozialdemokratische Abgeordnete mit engen Verbindungen zu Kommunen befürchten, dass die Versicherer nach der Reform deutlich weniger Steuern zahlen und das Gewerbesteueraufkommen der Gemeinden weiter austrocknet.
Nach der Steuerreform zahlt kein Lebens-oder Krankenversicherer mehr direkt Steuern. Die Regierung hat das Prinzip der so genannten Definitivbesteuerung eingeführt. Danach müssen Dividenden vom ausschüttenden Unternehmen mit mindestens 25 Prozent versteuert werden. Weil aber diese Steuer schon gezahlt wurde, fallen die Dividenden bei der steuerlichen Gewinnermittlung von Unternehmen, die die Dividenden eingenommen haben, nicht mehr ins Gewicht. Dasselbe gilt für Erlöse aus Beteiligungsverkäufen, die ab 2002 steuerfrei sind.
Lebensversicherer geben mehr als 95 Prozent ihrer Erträge aus Kapitalanlagen an die Versicherten weiter, dies gilt als Betriebsausgabe. Deshalb übersteigen die Ausgaben künftig stets die Einnahmen, es fällt ein steuerlicher Verlust an. Ein Beispiel: Ein Lebensversicherer nimmt bisher 100 Mio. Euro pro Jahr an Kapitalerträgen ein, davon stammen 80 Mio. Euro aus festverzinslichen Papieren, 20 Mio. Euro aus Dividenden und dem Verkauf von Aktien. Von den 100 Mio. Euro gibt er 95 Mio. Euro an die Versicherten weiter; nach Kosten bleibt ein Gewinn von 2 Mio. Euro, der versteuert wird. Ab Januar 2002 zählen die 20 Mio. Euro aus Dividenden und Veräußerungsgewinnen steuerlich nicht mehr. Das Unternehmen hat nur noch 80 Mio. Euro Einnahmen – aber weiter 98 Mio. Euro Ausgaben. Steuerlich entsteht ein Verlust von 18 Mio. Euro.
Nach bisherigem Recht können Konzerne mit Gewinnabführungsverträgen Verluste aus einem Konzernteil mit Gewinnen eines anderen verrechnen. Gilt diese Regel auch 2002 noch, verringert sich die Steuerquote der Versicherer deutlich. Das will Berlin offenbar verhindern.
Quelle: Financial Times Deutschland
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