Containerschifffahrt steuert in die Flaute

Von Katrin Berkenkopf, Herbert Fromme und Birgit Strietzel, Köln Sektlaune in Hamburg: Lydia Schrempp, Frau des DaimlerChrysler-Chefs, taufte vergangenen Freitag das Hapag-Lloyd-Schiff „Hamburg Express“. Bernd Wrede, scheidender Hapag-Lloyd-Chef, verkündet, dass sein Unternehmen das Rekordergebnis des Vorjahres wiederholen wolle. Und die deutschen Seehafenbetriebe erklären, dass ihr Containerumschlag auch 2001 um zehn Prozent wachsen wird. Wer redet da von Krise?

Doch viele Gäste in Hamburg werden eher sorgenvoll das Glas erhoben haben. Denn die Weltschifffahrt steuert auf eine kräftige Rezession zu. Auf den Weltmeeren macht sich spätestens seit dem 11. September eine deutliche Abschwächung des Handels bemerkbar. Burkhard Lemper vom Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik rechnet für dieses Jahr mit einem weltweiten Wachstum des Containerverkehrs von nur noch vier bis fünf Prozent, statt der knapp zwölf Prozent des vergangenen Rekordjahres.

Die Reeder stehen vor großen Problemen, denn sie haben in der Vergangenheit fleißig dazugekauft: Während der Frachtverkehr einknickt, wächst die Flotte kräftig. Vor allem deutsche Reeder haben viele neue Schiffe in Korea, Polen und China bestellt, die in den nächsten zwei Jahren vom Stapel laufen. Die Reeder bewog eine unwiderstehliche Marktsituation zu dem Kauf: Auf der einen Seite schien die Nachfrage deutscher Besserverdiener nach steuersparenden Schiffsbeteiligungen unersättlich zu sein. Auf der anderen Seite waren die Preise für Neubauten gering.

Das Überangebot hat schon jetzt Folgen. In den vergangenen Wochen sind die Charterraten für Containerschiffe um mehr als die Hälfte eingebrochen. Der Lübecker Reeder Claus-Peter Offen rechnet damit, noch vor Ende des Jahres zwei oder drei seiner Schiffe stilllegen zu müssen, weil sie zu angemessenen Preisen nicht zu betreiben sind. Der Schifffahrtsexperte Jürgen Dobert schätzt, dass schon heute rund 100 der weltweit 3500 Containerschiffe unbeschäftigt auf Reede liegen.

Deutschland ist besonders betroffen – denn mehr als ein Drittel der Welt-Containerflotte gehört deutschen Reedern. Entsprechend groß ist die hiesige Schiffsfinanzierungsbranche. Die meisten Schiffe im Linienverkehr sind eingechartert – also gemietet. Sie gehören Gesellschaften, die nur ein Schiff besitzen und von Privatanlegern finanziert werden. Das Eigenkapital trägt 40 bis 50 Prozent der Kosten eines Schiffes, der Rest stammt aus Schiffshypotheken einer Schifffahrtsbank.

Das größte dieser Kreditinstitute ist die Hamburgische Landesbank. Bei ihr stehen derzeit rund 11,5 Mrd. Euro Schiffsdarlehen aus. „Wir haben noch keine Anträge auf Zinsstundung oder Tilgungsaussetzung“, sagt ein Sprecher. „Damit ist in der heutigen Marktlage aber bald zu rechnen.“

Vor allem die Charterraten für mittelgroße und große Containerschiffe sind im Keller. Die Bremer Reederei Alpha Ship hat gerade ein mittleres Schiff mit 1900 Standardcontainern für 8500 $ am Tag verchartert – vor einem Jahr waren es noch 16 500 $. „Jetzt fängt es an, richtig weh zu tun“, murrt Alpha-Chef Jan Freese.

Die Einnahmeausfälle treffen besonders private Anleger. Sie müssen damit rechnen, 2002 keine Dividenden zu erhalten. Im schlimmsten Fall können die Gesellschafterversammlungen der Schiffsfonds eine Nachzahlung beschließen, um die Kredite bei den Banken tilgen zu können.

Die Finanzierer sind jetzt vorsichtig: Einige legten ihre Pläne für neue Containerschiffe auf Eis. Die Norddeutsche Vermögen aus Hamburg, die die Schiffe weiterfinanziert, bietet aber nach Aussagen von Geschäftsführer Werner Großekämper erstmals auf dem deutschen Markt Anlegern eine Rücknahmegarantie. Wer nach zehn Jahren vorzeitig aus dem Fonds aussteigt, erhält 75 Prozent der Beteiligungssumme zurück. „Das macht das Risiko wirklich überschaubar“, sagt Großekämper.

Zitat:

„Jetzt fängt es an, richtig weh zu tun“ – Jan Freese, Chef von Alpha Ship, zu den sinkenden Charterraten

Quelle: Financial Times Deutschland

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