Süddeutsche Zeitung NRW-Themen Umfrage belegt Gesundheitsgefahren durch Düsenjets
Mediziner-Initiative fordert Verbot von Nachtflügen am Flughafen Köln-Bonn
Köln – Nachts ist der Einsatz eines elektrischen Rasenmähers verboten, weil der Gesetzgeber den Bürger einen Schallpegel zwischen 50 und 60 Dezibel nicht zumuten will. Flugzeuge verursachen beim Abheben und Aufsetzen Lärm von bis zu 85 Dezibel, trotzdem dürfen sie nachts starten und landen. Die Anwohner in der Einflugschneise des Köln-Bonner Flughafens im Kölner Süden und im Rhein-Sieg-Kreis haben deshalb unruhige Nächte. Das beeinträchtigt nicht nur ihren Schlaf, sondern auch das Gesundheitsempfinden kranker Bürger. Das geht aus einer Umfrage von Mitgliedern der „Ärzteinitiative für ungestörten Schlaf Rhein-Sieg“ hervor. Die Mediziner fordern ein Nachtflugverbot.
Klagen über Beschwerden
Am Köln-Bonner Flughafen starten und landen jede Nacht bis zu 150 Maschinen. Nach Ansicht der Ärzte aus dem Rhein-Sieg-Kreis ist das schon jetzt zu viel. Doch die Flughafenbetreiber wollen den Frachtverkehr ausbauen, in den nächsten Jahren soll die Frequenz steigen. „Wir hören immer wieder wirtschaftliche Argumente für den Nachtflugverkehr. Die dürfen uns als Ärzte aber nicht interessieren“, sagte der Troisdorfer Dermatologe Hans-Friedrich Döring auf einem Symposium der Initiative in Siegburg. Schließlich müsse für Mediziner das Wohl der Patienten im Vordergrund stehen – und das sei durch Fluglärm ganz erheblich beeinträchtigt. „Deshalb fordern wir im Interesse unserer Patienten ein Nachtflugverbot für die Zeit von 22 Uhr bis sechs Uhr.“
Döring beobachtete, dass es Allergikern und Asthmatikern gesundheitlich schlechter ging, nachdem sie aus anderen Regionen in die Einflugschneise des Flughafens gezogen waren. Im April des vergangenen Jahres gründeten er und vier weitere Ärzte aus dem Rhein-Sieg-Kreis die Initiative, der mittlerweile 60Mediziner angehören. Sie kritisieren, dass der Zusammenhang zwischen nächtlicher Lärmbelästigung und Gesundheitsstörungen nicht direkt vor Ort untersucht wird. Deshalb entschlossen sich die Ärzte, ihre Patienten nach Belastungen durch nächtlichen Fluglärm zu befragen.
An der Erhebung beteiligten sich 25Allgemeinmediziner und Fachärzte aus 16 Praxen. Von Juli bis Dezember 2001 befragten sie 1121 Patienten. „Wir haben uns bewusst auf Ältere und Kranke konzentriert und keine Querschnittserhebung vorgenommen“, erklärte Döring. Die Frage „Fühlen Sie sich durch nächtlichen Fluglärm beeinträchtigt?“ bejahten insgesamt 88 Prozent der Patienten. Einen Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Beschwerden und dem Krach der Maschinen bestätigten 81 Prozent. Mit dem Fluglärm in Verbindung brachten die Interviewten vor allem Schlaf-und Konzentrationsstörungen, Depressionen, Allergien, Herz-Kreislauf-Probleme und Bluthochdruck. Mehr als 80 Prozent der Befragten befürworteten ein grundsätzliches Nachtflugverbot, weitere neun Prozent bevorzugen ein bedingtes.
Außerdem werteten die Ärzte das Langzeit-EKG von 50 Patienten aus. „In 32 Fällen zeigten die Ergebnisse in den für Nachtfluglärm typischen Zeiten von 22 Uhr bis sechs Uhr Auffälligkeiten“, berichtete Döring. Die Ärzte stellten Herzfrequenz-Erhöhungen, außerhalb des regulären Grundrhythmus auftretende Herzschläge und andere gesundheitliche Unregelmäßigkeiten fest. „Unsere Beobachtungen zeigen, dass es die Möglichkeit der Objektivierung der subjektiv empfundenen Störungen gibt“, sagte er.
Die Ärzte verstehen ihre Befragung nicht als wissenschaftliche Studie. Mit der Umfrage wollen sie ihrer Forderung nach Forschungsprojekten vor Ort Nachdruck verleihen. Zwar untersucht das Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt in Köln-Porz derzeit die Auswirkungen nächtlichen Fluglärms auf die Gesundheit. Die Mediziner kritisierten aber, dass die Wissenschaftler in Köln-Porz nur gesunde Personen und weder Kinder noch alte Menschen in die Studie einbeziehen.
„Bei Anblick Allergie“
„An den Entscheidungen über den Flughafen müssen Ärzte beteiligt sein, die sich mit dem Thema Fluglärm eingehend beschäftigt haben“, fordert Lange. Deshalb sollten Vertreter der Initiative in Gremien des Flughafens wie dem Aufsichtsrat vertreten sein.
Ein Mediziner aus der Region wird sich der Forderung der Ärzte nach einem Nachtflugverbot bestimmt nicht einschließen: der SPD-Landtagsabgeordnete Norbert Rüther, der Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens ist. Er hält den Nachtflugverkehr aus wirtschaftlichen Gründen für unverzichtbar. Die Umfrage seiner Kollegen ist für ihn nicht aussagefähig. „Nach Art der Fragestellung könnte der bloße Anblick eines Flugzeugs ausreichen, um Ursache für Allergien zu werden,“ heißt es in einem Schreiben Rüthers an den Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe.
Hoppe, der auch der Ärztekammer Nordrhein vorsteht, begrüßte in Siegburg zwar das Engagement der Ärzte aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Doch rückhaltlos unterstützen mag der Ärztepräsident die Mediziner nicht. Die medizinischen Folgen des nächtlichen Flugverkehrs müssten berücksichtigt werden, sagte Hoppe. Man dürfe aber die wirtschaftlichen Aspekte nicht außer acht lassen. Er rief die Ärzte dazu auf, gemeinsam mit dem Gesetzgeber und den Betreibern des Köln-Bonner Flughafens nach einer Lösung zu suchen. „Wenn wir als Ärztekammer moderieren können, sind wir gerne bereit, dabei mitzuwirken. „.
Dokument sddz000020020219dy2j0000e
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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