Auf einer turbulenten Hauptversammlung mussten Vorstand und Aufsichtsrat von Babcock Borsig gestern den Verkauf der Mehrheit an der Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) verteidigen. Aktionäre, allen voran US-Investor Guy Wyser-Pratte, warfen dem Vorstandsvorsitzenden Klaus Lederer persönliche Interessenkonflikte vor. Der Verkauf der HDW lasse den Babcock-Konzern ohne Strategie zurück.
Erst mit zweistündiger Verspätung konnte Lederer seinen Rechenschaftsbericht ablegen. Zuvor hatte der deutsche Partner von Wyser-Pratte, Markus Elsässer, erneut eine Verschiebung der Hauptversammlung gefordert. Er kritisierte, dass der HDW-Verkauf so kurz vor der Versammlung verkündet wurde und damit nicht auf die Tagesordnung kam.
Unterstützt wurde er von Kleinaktionären, die außerdem die Absetzung des Versammlungsleiters und Babcock-Aufsichtsratsvorsitzenden Friedel Neuber verlangten. Die vom Kurssturz der Babcock-Aktie geschockten Anteilseigner am Rednerpult brachten Neuber, den sonst so routinierten Ex-Chef der WestLB, sichtlich aus dem Konzept. Sogar für das Rauchen auf der Vorstandstribüne musste er sich rügen lassen.
Die Anträge auf Verschiebung der Hauptversammlung und auf Absetzung von Neuber wurden jedoch von der Mehrheit der Aktionäre abgelehnt. „Die Depotbanken hatten offensichtlich keine Zeit, nachzudenken“, kommentierte Elsässer. Er sei aber stolz, dass immerhin 25 Prozent der anwesenden Stimmen seinen Anträgen zustimmten.
Babcock Borsig hatte in der vergangenen Woche bekannt gegeben, dass der Konzern die Hälfte seines HDW-Anteils von 50 Prozent plus einer Aktie abgibt. Käufer ist die US-Investmentgesellschaft One Equity Partners, die auch die verbleibenden 50 Prozent an HDW von Preussag kaufen will. Lederer verweigerte auch gestern Auskunft über die Höhe des vereinbarten Kaufpreises. Babcock habe mehr erhalten als der schwedische Konzern Saab, der Ende 2001 für 25 Prozent rund 182 Mio. Euro erlöste.
Lederer will voraussichtlich im Juni den Vorstand bei Babcock Borsig niederlegen, aber Chef bei HDW bleiben. Es sei nur natürlich, dass der neue Mehrheits-Eigentümer personelle Kontinuität wünsche, sagte er. Die Kleinaktionäre warfen ihm vor, sich mit dem profitablen Teil des Konzerns vom sinkenden Rest abzusetzen. Außerdem gebe es persönliche Beziehungen zu Richard Cashin, Chef von One Equity Partners.
Dass beide sich kennen, hatte Lederer in der vergangenen Woche bereits bestätigt. „Wir haben den starken Verdacht, dass er sozusagen zum Ausverkauf veranlasst wurde – durch die Zusage, die Seite wechseln und zu HDW gehen zu können“, sagte Jörg Pluta, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Lederer dagegen sieht keinen Interessenkonflikt. Der Vorwurf entbehre jeglicher Grundlage, sagte der Manager. Er sei lediglich bis Dezember inaktiver Gesellschafter von Boulders Capital gewesen, in der auch One-Equity-Chef Cashin aktiv war. One Equity Partners sei auf Babcock Borsig zugekommen, die Verhandlungen hätten Anfang Februar begonnen. Der Entschluss, HDW zum Teil zu verkaufen statt wie geplant komplett zu erwerben, sei kein plötzlicher Strategiewechsel gewesen. „Wir haben aus dieser Lage das Beste für Babcock Borsig gemacht, als die Verwirklichung unserer ersten Priorität unmöglich wurde.“ Die beim Konzern engagierten Banken hätten seinen Kurs bei einer gemeinsamen Sitzung am vergangenen Freitag bestätigt. Für das verbleibende Geschäftsfeld Energietechnik gebe es jetzt neue Restrukturierungsmöglichkeiten. „Die Notwendigkeit, sich von Töchtern mit Zukunftspotenzial nur deshalb zu trennen, weil der Erwerb noch attraktiverer Beteiligungen dies erfordert, ist jetzt entfallen.“
Der starke Rückgang der Babcock-Aktie sei nur temporär, so Lederer. Aktionär Wyser-Pratte sieht dies offenbar anders: Ein ihm bekanntes US-Rüstungsunternehmen sei hochgradig interessiert gewesen an einem Einstieg bei HDW und wäre als industrieller Investor eine bessere Alternative gewesen, sagte er. Babcock-Unternehmenskreise wiesen aber darauf hin, dass eine solche Konstruktion auf größten Widerstand bei der Bundesregierung gestoßen wäre. Lederer bestätigte anfängliche Sondierungsgespräche mit dem industriellen Interessenten, nannte aber keine weiteren Details.
Elsässer deutete an, notfalls gerichtlich gegen den Verkauf der HDW-Anteile an One Equity Partners vorgehen zu wollen. Wyser-Pratte erklärte, seinen Anteil nicht verkaufen zu wollen. „Es wird eine außerordentliche Hauptversammlung geben und der Aufsichtsrat wird ausgewechselt“, versprach er den Mit-Aktionären. „Keep the faith.“
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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