Von Herbert Fromme und Katrin Berkenkopf, Köln Die mögliche Insolvenz von Babcock Borsig könnte die gerade fertig ausgehandelte neue Eigentümerstruktur der Kieler Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) in letzter Minute stören.
Nach Informationen der Financial Times Deutschland haben sich alle Beteiligten über die Zukunft von HDW geeinigt: Babcock Borsig gibt die restlichen 25 Prozent an die US-Investmentgruppe One Equity Partners (OEP) ab, die jetzt schon 75 Prozent hält. OEP verkauft 20 Prozent an den US-Rüstungskonzern Northrop Grumman. 15 Prozent gehen an den ThyssenKrupp-Konzern, dessen Werften Blohm+Voss und Thyssen Nordseewerke seit Jahren eng mit HDW beim Bau von U-Booten und anderen Kriegsschiffen zusammen arbeiten. Ebenfalls 15 Prozent übernimmt das Essener Handelshaus Ferrostaal, das zur MAN-Gruppe gehört. Ferrostaal ist ein wichtiger Partner für den Marineschiffbau von ThyssenKrupp und HDW. Bei großen Auslandsaufträgen für U-Boote oder Fregatten bestehen die Besteller in der Regel auf Gegengeschäften. Dafür ist Ferrostaal Spezialist.
Nicht zuletzt auf Druck der Politik hatten ThyssenKrupp und Babcock jahrelang an einem Werftenverbund gebastelt, konnten sich aber nie über die geeignete Konstruktion einig werden.
OEP hat jetzt offiziell entsprechende Angebote an Northrop Grumman, ThyssenKrupp und Ferrostaal abgegeben. Beim Aufsichtsrat von ThyssenKrupp steht das Thema am 12. Juli auf der Tagesordnung. Die Zustimmung gilt als sicher.
Vollzogen werden soll das Geschäft im November. Vereinbart wurde auch, dass HDW in den ersten fünf Jahren keine Dividende zahlt und dass die deutschen Aktionäre für die 50 Prozent, die OEP zunächst weiter hält, ein Vorkaufsrecht haben. Keines der beteiligten Unternehmen wollte gestern Stellung nehmen.
Sollte Babcock Borsig insolvent werden, könnte die geplante Struktur zerfallen. Ein künftiger Insolvenzverwalter müsste sich nicht an die Vereinbarung mit OEP halten. Laut Insolvenzrecht wäre er gezwungen, die restlichen 25 Prozent an Babcock Borsig an den Höchstbietenden zu verkaufen. In Branchenkreisen wird darauf hingewiesen, dass in dem Gesamtdeal sehr hohe Preise verabredet wurden. Das macht die Einhaltung der Vereinbarung mit OEP auch nach einer Insolvenz von Babcock Borsig wahrscheinlich.
Der Einstieg von Northrop Grumman bei HDW wirft erneut die Frage nach dem möglichen Technologieabfluss in die USA auf. Vor allem im Verteidigungsministerium macht man sich große Sorgen. In der Branche wird aber darauf verwiesen, dass die Vereinbarungen zwischen OEP einerseits und TUI (früher Preussag), dem Verkäufer von 50 Prozent an HDW sowie Babcock Borsig andererseits klare Sperren für die Weitergabe von Wissen vorsehen. „Außerdem wird das US-Know-how über konventionelle U-Boote unterschätzt“, sagte ein Experte. Die Amerikaner hätten durch ihre Beteiligung am australischen Collins-Programm ausreichend Detailwissen über konventionelle U-Boote. Das viel gelobte Brennstoffzellen-System sei ohnehin eine Siemens-Entwicklung.
HDW kam 1999 zu Babcock Borsig. Der Deal war ein typisches Beispiel nordrhein-westfälischer und sozialdemokratischer Industriepolitik: Babcock Borsig erklärte sich bereit, im Anlagenbau Problemfälle der früheren Preussag zu übernehmen, die sich zu einem Touristikkonzern umstrukturieren sollte. Dafür erhielt der Oberhausener Konzern die Mehrheit an der profitablen und reichen Werft. Aus Geldmangel konnte Babcock Borsig aber nicht die gewünschten 100 Prozent erwerben, sondern stieg stattdessen im März 2002 aus.
Hinter der ursprünglichen Transaktion steckte Friedel Neuber, damals Chef der WestLB, die Anteile bei TUI und Babcock hält. Gestern war er als Aufsichtsratschef beider Unternehmen beim Babcock-Krisengipfel in der Düsseldorfer Staatskanzlei.
Quelle: Financial Times Deutschland
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