Von Ilse Schlingensiepen, Köln und Herbert Fromme, München Der heftige Streit zwischen der deutschen Versicherungswirtschaft und der Industrie hat eine neue Dimension angenommen. Insider gehen davon aus, dass die Durchsuchungsaktion bei 13 Industrieversicherern auf Beschwerden von Industriekonzernen zurückgeht.
Seit fast zwei Jahren versucht die Assekuranz, den tief defizitären Markt für Industrie-und Firmenkunden zu sanieren, anfangs mit mäßigem Erfolg. Erst die heftige Verknappung von Versicherungs-und Rückversicherungsschutz nach dem 11. September brachte den gewünschten Schub. Drastische Erhöhungen um mehrere Hundert Prozent waren keine Seltenheit.
Die Versicherer verweisen auf ihre hohen Verluste. Der Allianz-Konzern machte 2001 weltweit jeden Tag rund 1 Mio. Euro Defizit allein in der Industrieversicherung. Bei rund 350 Mio. Euro Prämieneinnahmen in diesem Segment betrug die Schaden-und Kostenquote 209 Prozent. Für jeden Prämien-Euro musste die Allianz 2,09 Euro für Schäden und Kosten aufbringen.
Die Industrie ist zwar bereit, höhere Preise zu zahlen, stört sich aber an den rüden Methoden der Assekuranz. Verträge wurden mit knapper Frist gekündigt, bindende Angebote zurückgezogen, Bedingungen scheinbar willkürlich verschärft. Außerdem schlossen die Versicherer von heute auf morgen alle Terrorrisiken aus. Kein Wunder, dass die Industrie auf Abhilfe sinnt: So machten Konzerne unter Führung der BASF (eher erfolglos) Pläne, einen eigenen Rückversicherer zu gründen oder die zum Verkauf stehende Gerling zu übernehmen. Die Kartellamtsaktion geht wohl, so heißt es in der Branche, auf Beschwerden von Konzernen der Schwerindustrie zurück, die zurzeit für ihre Risiken nur sehr schwer Deckung finden.
Bis Mitte der 90er Jahre waren Absprachen sogar offiziell sanktioniert, so genannte Konsortialkommissionen der Versicherer setzten Preise fest. Das ist jetzt verboten – und angesichts der Marktlage auch unwahrscheinlich. Eine Sprecherin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft bezeichnete den Kartell-Vorwurf denn auch als „lächerlich“. „Der gegenwärtige Trend rührt nicht aus irgendwelchen Preisabsprachen her, sondern aus der defizitären Situation jedes einzelnen Unternehmens“, sagte sie. „Die Preise sind auch jetzt bei weitem noch nicht risikodeckend.“
Von den Besuchen verschont blieben die Württembergische & Wüstenrot und der Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI), obwohl der HDI neben Allianz, Gerling, Axa und R+V einer der zentralen Player ist. HDI-Chef Wolf-Dieter Baumgartl hatte im Mai allerdings stolz vermeldet, dass sein Unternehmen bei den Preiserhöhungen „mit Augenmaß“ und sanfter vorgegangen sei als die Konkurrenz.
Zitat:
„Die Preise sind bei weitem nicht risikodeckend“ – Sprecherin des Versichererverbandes.
Quelle: Financial Times Deutschland
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