Von Philipp Jaklin, Berlin, und Ilse Schlingensiepen, Köln Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben im ersten Halbjahr 2002 weit auseinander geklafft. Die Leistungsausgaben der GKV stiegen nach Zahlen der Ersatzkassenverbände um drei Prozent, die Einnahmen über Beiträge jedoch nur um 0,5 Prozent. „Das System unterliegt einem erheblichen Druck“, sagte Verbandschef Herbert Rebscher der FTD.
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt stellt heute die Defizitzahlen vor. Rebscher zufolge wird die SPD-Politikerin dabei ein Minus von etwa 2 Mrd. Euro bekannt geben müssen. So kurz vor der Bundestagswahl dürfte das eine Steilvorlage für Kritik seitens der Union sein – zumal sich in den letzten Tagen die Stimmen derer gemehrt haben, die baldige Beitragserhöhungen vorhersagen.
Auch Rebscher erwartet Druck bei den Beiträgen: „Spätestens im nächsten Jahr wird sich die Beitragsfrage stellen.“ Ob eine Erhöhung zum Jahreswechsel nötig sei, lasse sich noch nicht absehen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte zuvor für Anfang des kommenden Jahres einen Anstieg des durchschnittlichen Beitragssatzes von jetzt 14 auf 14,3 Prozent vorhergesagt.
Rebscher zufolge stellt die Defizitzahl das eigentliche Saldo allerdings nicht richtig dar. Grund seien überhöht verbuchte Zahlungsverpflichtungen im internen Finanzausgleich der GKV, sagte der Verbandschef. „Ohne diesen Effekt wäre das GKV-Ergebnis nach unserer Schätzung heute etwa ausgeglichen.“
Die Finanzlage der Kassen bezeichnete Rebscher dennoch als schwierig wegen der Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben. Besondere Sorge bereitet den Kassen dabei die Entwicklung der Arzneimittelausgaben. Um 4,5 Prozent ist dieser Posten laut Rebscher im zweiten Quartal 2002 gestiegen. Ohne die Einmalzahlung der Pharmaindustrie liege der Anstieg sogar bei sechs Prozent, sagte Rebscher. Mit 200 Mio. Euro hatten sich die Unternehmen von einem ursprünglich geplanten gesetzlichen Preisabschlag bei Arzneien „freigekauft“.
Für Verbandschef Rebscher sind die Zahlen Beleg dafür, dass die so genannte Aut-idem-Regelung nicht greift. Danach sollen Ärzte möglichst nur Wirkstoffe verschreiben und Apotheker entsprechend die billigsten Arzneien aussuchen. Rebscher kritisierte, die Pharmaindustrie unterlaufe die Aut-idem-Regelung gezielt mit ihrer Preispolitik.
Deutliche Spuren hat die Finanzlage bei der Barmer Ersatzkasse hinterlassen. Die Kasse will bis Ende dieses Jahres mehr als 1300 Arbeitsplätze abbauen. Ende 2001 beschäftigte sie noch knapp 20 000 Menschen. Betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben. Man setze auf „natürliche Fluktuation“, sagte eine Barmer-Sprecherin. Allerdings sollen auch Standorte geschlossen werden.
Quelle: Financial Times Deutschland
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