Von Herbert Fromme, Köln Die Versicherungswirtschaft kann aufatmen. Die neuen Regeln, nach denen die Wirtschaftsprüfer künftig den Abschreibungsbedarf der Assekuranz auf Aktien und festverzinsliche Wertpapiere beurteilen wollen, fallen milde aus. „Wir finden das insgesamt gut“, sagte Hans-Jürgen Säglitz vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Unsere Mitgliedsunternehmen können stärker in Aktien investiert bleiben. Das ist für die Kunden der Versicherer und den Markt eine gute Nachricht.“
Am Mittwoch hatte das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) das Papier seines Versicherungsfachausschusses veröffentlicht. Die Regeln gelten nur für Bilanzen nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB), die alle Versicherer aufstellen müssen. Für Konzernbilanzen nach den Standards US-GAAP oder IAS gelten sie nicht.
Nach den neuen Regeln müssen Versicherer im Prinzip Aktien dann abschreiben, wenn ihr Wert während der sechs Monate vor dem Bilanzstichtag mindestens 20 Prozent oder der Durchschnittskurs in den letzten zwölf Monaten mehr als zehn Prozent unter dem Buchwert lagen. „Das sind die so genannten Aufgreifkriterien. Das heißt aber nicht, dass die Aktien notwendig auf den Tageskurs vom 31. Dezember abgeschrieben werden müssen“, sagte Gerd Geib in einem Interview mit der FTD. Geib ist Vorstand bei KPMG, dem Marktführer in der Prüfung von Versicherern, und Vorsitzender des IDW-Fachausschusses.
Kann der Versicherer nachweisen, dass der tatsächliche Wert eines Papiers über dem Tageswert liegt, ist eine geringere oder gar keine Abschreibung möglich. „Wenn zum Beispiel unabhängige Analysten im Konsens einen höheren Aktienwert annehmen, oder wenn der Net Asset Value eines Unternehmens höher als seine Börsenkapitalisierung ist, könnte das den Versicherern zum Nachweis des höheren Werts einer Aktie dienen“, erläuterte KPMG-Partner Rainer Husch.
Stehen solche Aussagen für die Zukunft nicht zur Verfügung, bleibt der Assekuranz noch als letztes Mittel, „den nachhaltigen Wert der Aktien auf andere Weise verantwortlich (zu) schätzen“, so das Fachausschuss-Papier. „Das kann auch die Durchschnittsbetrachtung über einen kurzfristigen Zeitraum der Vergangenheit sein, etwa zwölf Monate“, sagte Geib.
Für 2002 bedeutet das: Die Versicherer müssen ihre Aktienbestände Ende des Jahres höchstens auf den Dax-Schnitt für das volle Jahr abschreiben, auch wenn der Index sich bis dahin nicht erholt hat. Statt auf einen Dax-Wert von 2800 müssten die Versicherer dann nur auf 4000 bis 4500 abschreiben – eine deutliche Erleichterung für die Jahresergebnisse der meisten Gesellschaften.
Nach dem 11. September 2001 hatte die Assekuranz sehr kurzfristig eine Änderung der Bilanzierungsregeln erreicht. Nach dem geänderten Paragraphen 341 b des HGB müssen Versicherer Wertminderungen auf Aktien nicht zeigen, wenn sie die als „voraussichtlich vorübergehend“ einschätzen. Zahlreiche Versicherer haben deshalb in ihren Bilanzen große Aktienpakete mit einem Buchwert, der deutlich über dem Marktwert liegt, also so genannte stille Lasten. Sie befürchteten, diese Papiere in 2002 auf den Tageskurs abschreiben zu müssen. Diese Sorge ist nach dem IDW-Papier unbegründet.
Zitat:
„Die Versicherer müssen nicht notwendig auf den Tageskurs abschreiben“ – Gerd Geib, KPMG
Quelle: Financial Times Deutschland
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