Die geplante Abschaffung von Steuervergünstigungen für deutsche Handelsschiffe empört Reeder und Schiffsfinanzierer. Sollte die rot-grüne Koalition die günstige Tonnagesteuer durch höhere Abgaben ersetzen, drohe nicht nur eine Auswanderungswelle der Schiffseigner über die Grenzen nach Holland oder Dänemark. Deutschlands Rolle als führender Schiffsfinanzierungsplatz sei gefährdet.
Die Tonnagesteuer wurde 1999 eingeführt, um Handelsschiffe wieder unter deutsche Flagge zu bringen und Arbeitsplätze im Schiffsmanagement zu schaffen. Dies war ein Ersatz für die Reduzierung anderer Steuervergünstigungen, wie Sonderabschreibungen oder dem Verrechnen von Verlusten aus dem Schiffsbetrieb mit Gewinnen aus anderen Einkommensarten. Die Tonnagesteuer erlaubt eine pauschalierte und extrem günstige Gewinnermittlung, die sich nach der Größe des Schiffes richtet.
In Deutschland wird das Eigenkapital für einen Schiffskauf oft bei Privatanlegern eingesammelt. Auch sie profitieren von der Tonnagesteuer: Wer 100 000 Euro in ein Schiff mit Platz für 5700 Container investiert hat, muss pro Jahr nur einen rechnerischen Gewinn von 185 Euro versteuern. Folge: Ein Großteil der weltweiten Containerflotte befindet sich im Besitz deutscher Zahnärzte, Architekten und Steuerberater.
Deren Lieblingssteuerschlupfloch will die Koalition jetzt stopfen. „Reeder mit Geschäftsleitung im Inland können den Gewinn abweichend von den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften nach der geführten Tonnage ermitteln. Künftig sollen für diesen Unternehmerkreis auch die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften gelten“, heißt es in der Koalitionsvereinbarung.
Außerdem wird die Lohnsteuerhilfe abgeschafft. Bislang müssen Reeder nur 60 Prozent der Einkommensteuer, die sie von den Seeleuten einsammeln, an das Finanzamt weitergeben. Den Rest dürfen sie behalten.
„Die Abschaffung der Tonnagesteuer macht überhaupt keinen Sinn“, sagt Bernd Kröger, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder in Hamburg. Denn Mehreinnahmen für den Staat seien nicht zu erwarten. Zum einen könnten Schiffseigner einfach die Koffer packen und über die Grenze in ein Land gehen, in dem es noch die Tonnagesteuer gibt. „Es ist doch egal, von welcher Seite der holländischen Grenze aus man sein Schiff managt“, so Kröger. „Und zum anderen machen viele Schiffe im Moment überhaupt keinen Gewinn.“ Sie würden also auch bei voller Besteuerung dem Staat kein Geld einbringen, sondern nur die Steuerlast des Reeders mindern. Die Tonnagesteuer muss dagegen auch gezahlt werden, wenn in einem Jahr ein Verlust eingefahren wurde.
Allein im letzten Jahr seien 850 Arbeitsplätze dadurch entstanden, dass Reeder ihre Schiffe von Deutschland aus steuern müssen. Diese Jobs würden wieder wegfallen. Den weltweiten Einsatz der Schiffe würde das nicht stören: Sie könnten weiter ihre Ladung in Hongkong oder Hamburg löschen, nur Gewinne würden sie in Deutschland nicht mehr erzielen.
Reeder und Schiffsfinanzierer haben große Hoffnung, dass es nicht zu einer Abschaffung kommt. Denn die Fachabteilungen in den Ministerien hätten sich mit dem Thema noch gar nicht beschäftigt. „Die sachliche Prüfung beginnt erst jetzt“, schreibt der Reeder-Verband seinen Mitgliedern. Deshalb halte man sich mit massiver öffentlicher Kritik zurück, um nicht Öl ins Feuer zu gießen.
Dass die Experten der Regierung selbst erkennen, wie wenig eine Abschaffung der pauschalierten Gewinnermittlung brächte, ist nur eine Hoffnung der Branche. Eine weitere ist die Europäische Union, die sich für die Einführung der Tonnagesteuer in allen Mitgliedsländern ausgesprochen hat. „Deutschland wird sich hier doch wohl nicht isolieren wollen“, hofft ein Schiffsfinanzierungsmanager. Zur Not könne das Vorhaben außerdem noch im Bundesrat gestoppt werden. „Deshalb ist das Ergebnis zurzeit überhaupt noch nicht absehbar.“ Manche in der Branche spekulieren gar, die Ankündigung der Abschaffung sei nur dazu da, potenzielle Anleger abzuschrecken und das Geld in andere, höher besteuerte Investments zu lenken.
Zitat:
„Mehreinnahmen sind nicht zu erwarten“ – Bernd Kröger, Verband Deutscher Reeder
Katrin Berkenkopf und Herbert Fromme
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo