Von Herbert Fromme, Köln, und William Hall, Zürich Rentenanstalt/Swiss Life, der größte Lebensversicherer der Schweiz, hat am Dienstagabend die Konsequenzen aus einer Serie von Skandalen gezogen und sich von Vorstandschef Roland Chlapowski getrennt. Mit sofortiger Wirkung trat gestern Rolf Dörig seine Nachfolge an. Er war vorher Leiter des Schweizer Firmen-und Privatkundengeschäfts der Credit Suisse Financial Services.
Nur mit drastischen Maßnahmen kann die Swiss Life hoffen, die Finanzmärkte von einer Richtungsänderung zu überzeugen. Das angeschlagene Unternehmen will sich von Aktionären bis zu 1,2 Mrd. Franken frisches Geld holen.
Chlapowski hatte erst im Februar den umstrittenen Manfred Zobl an der Spitze der Gruppe abgelöst. Zum Verhängnis wurden ihm erneute Schlampigkeiten in der Buchhaltung, die zu einem nachträglich gesenkten Gewinnausweis für das erste Halbjahr führten, und Enthüllungen über die lukrativen privaten Investments von Managern in der Long Term Strategy AG (LTS), die mehrheitlich der Swiss Life gehörte.
Als der Versicherer in der zweiten Hälfte der 90er Jahre im großen Stil in die Aktienmärkte einstieg, betrieb er auch bald das Hedge-Fund-Geschäft. Zu den Gründungen aus dieser Zeit gehört die LTS, an der sich die Topmanager beteiligten. Sie erzielten hohe Gewinne: Chlapowski kam bei einem Kapitaleinsatz von 967 000 Franken auf 3,2 Mio. Franken Gewinn, der damalige Finanzchef Dominique Morax auf 3,6 Mio. Franken und der im Februar ausgeschiedene Manfred Zobl auf 2,2 Mio. Franken. Die LTS-Aktivitäten haben nicht nur die Versicherungsaufsicht, sondern auch den Staatsanwalt auf den Plan gerufen. Ein besonders pikantes Detail: Die Swiss Life gab der LTS einen Kredit, der für die Spekulationen benutzt werden konnte und später zurückbezahlt wurde.
Der neue Chef Dörig kommt von außen, steht also nicht im Verdacht, an dem dubiosen System des alten Managements beteiligt gewesen zu sein. Gleichzeitig musste er bei einer Pressekonferenz einräumen, dass er kein Versicherungsfachmann ist und sich erst einarbeiten muss.
Zunächst wolle er sich um die Kapitalerhöhung kümmern, sagte er der Agentur Reuters. „Ich denke persönlich, dass das so funktionieren wird, wie wir das geplant haben.“ Seine Beziehungen zu Credit Suisse werden dabei helfen, erwartet Dörig. Die Kapitalerhöhung ist dringend nötig: Das Unternehmen hat keine stillen Reserven mehr. Statt 8,2 Mrd. Franken im Jahr 1999 lag das Eigenkapital am 30. Juni 2002 bei 3,9 Mrd. Franken, allein im letzten Halbjahr war es um 1 Mrd. Franken oder 20 Prozent geschrumpft.
Im Wesentlichen will Dörig den von Chlapowski eingeschlagenen Kurs beibehalten. Die Swiss Life leidet an der Überexpansion der 90er Jahre, dem Einbruch der Aktienmärkte und Problemen in der betrieblichen Altersversorgung in der Schweiz. Dort muss sie bisher vier Prozent Mindestzins zahlen, die sie aber schon lange nicht mehr erwirtschaftet. Inzwischen hat die Regierung den Satz auf 3,25 Prozent gesenkt.
Künftig will die Swiss Life nur noch in der Lebensversicherung tätig sein. Geografisch will sie sich auf die Schweiz, Frankreich, Deutschland und Benelux beschränken. Alle anderen Tochterunternehmen, auch die Banca del Gottardo, sollen verkauft werden. Pläne, die deutsche Niederlassung in München zu veräußern, hat der Konzern allerdings wieder aufgegeben.
Intern will die Gruppe durch den Wegfall von 700 Arbeitsplätzen die Kosten senken.
Quelle: Financial Times Deutschland
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