ARTIKELFOLGE: LEBENSVERSICHERer IN DER KRISE / TEIL 3 / Jahrzehntelang waren die Lebensversicherer stolz auf ihrestillen Reserven. Der Börsencrash hat das meiste davon vernichtet. Jetzt haben viele Gesellschaften sogar stille Lasten in ihren Büchern – und hoffen auf eine baldige Erholung des Aktienmarkts. Den Kunden nützt das nicht.
Von Herbert Fromme, Köln Alle Stoßgebete der deutschen Lebensversicherer haben nichts geholfen: Dax, Nemax, Dow Jones und die anderen Indizes haben nicht zur Jahresend-Rally angesetzt. Im Gegenteil: Seit dem Halbjahresstand haben die Papiere noch einmal kräftig verloren.
In den Bilanzabteilungen der Lebensversicherer wird schon heftig gerechnet. Die Bilanzen für das Jahr 2002 werden zwar für viele Lebensversicherer schrecklich, aber immer noch enorm geschönt sein.
Als nach dem Terrorüberfall vom 11. September 2001 die Aktienkurse ins Bodenlose fielen, setzten die Versicherer im Eilverfahren eine Änderung des Handelsgesetzbuchs durch. Im Paragraphen 341 b Absatz 2 war bis dahin das so genannte „strenge Niederstwertprinzip“ für Versicherer festgeschrieben. Danach mussten Gesellschaften Wertverluste auf Kapitalanlagen im selben Jahr zeigen. Wer als Versicherer für 2 Mio. Euro Aktien gekauft hatte, deren Wert später auf 1,5 Mio. Euro fiel, musste die Differenz als Verlust verbuchen.
Seit der Änderung des Paragraphen 341 b können Versicherer Wertverluste, die sie für vorübergehend halten, ignorieren. In dem Beispiel würden die Aktien weiter mit 2 Mio. Euro gezeigt. Ihr tatsächlicher Wert liegt nur bei 1,5 Mio. Euro, der Versicherer hat eine „stille Last“ von 0,5 Mio. Euro. Die stillen Lasten der Branche beliefen sich am 31. Dezember 2001 auf 2,4 Mrd. Euro oder nur 0,4 Prozent der gesamten Kapitalanlagen von 571 Mrd. Euro. Das wird mit den Bilanzen für 2002 dramatisch ansteigen.
Aber auch wenn Aktien oder andere Papiere abgeschrieben werden, heißt das nicht, dass der Lebensversicherer den tatsächlichen Wertverlust aufdecken muss. Die Wirtschaftsprüfer und die Finanzaufsicht BAFin haben sich darauf geeinigt, dass weit reichende Ermessensspielräume bleiben. Die Unternehmen dürfen bei der begründeten Annahme, dass eine Aktie im Wert wieder steigt – beispielsweise nach Analystenauffassungen – von dem höheren Wert ausgehen.
Grundsätzlich kann ein Versicherer als fairen Wert eines Papiers zumindest den Durchschnittskurs der letzten zwölf Monate plus zehn Prozent annehmen. Statt auf einen Dax-Stand von rund 3200 Punkten müssten Versicherer dann nur auf einen Wert von über 4000 abschreiben. Der Zweck ist eindeutig: Die Unternehmen wollen hohe Verzinsungen ausweisen und ihre immer noch zu hohen Überschussbeteiligungen rechtfertigen. Das ist für das Neugeschäft entscheidend. Den Kunden nützt das wenig: Sie mögen zwar einige Jahre höhere Gewinne zugeschrieben bekommen als das Unternehmen verdient hat.
Langfristig kommen die so geschaffenen Altlasten aber doch ans Licht. Und dann kann herauskommen, dass der Kunde für den Rest der Vertragslaufzeit nur noch die garantierte Verzinsung erhält.
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Quelle: Financial Times Deutschland
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