Schwache Börsen und hoher Abschreibungsbedarf erschweren Zusammenschlüsse “ Wirtschaftlicher Druck nimmt zu
Von Herbert Fromme, Köln Der seit drei Jahren anhaltende Negativtrend an der Börse und niedrige Zinsen führen bei vielen Versicherern im fragmentierten deutschen Markt zu erheblichem Druck, sich an einen starken Partner anzulehnen. Trotzdem gibt es in der Branche massive Zweifel, ob es für die vielen verkaufs-und fusionswilligen Versicherer Käufer gibt.
„Ab März werden wir ein Anziehen der Fusionsbemühungen sehen“, sagte Carsten Zielke, Chefanalyst für Versicherungen bei der WestLB Panmure. Er ist davon überzeugt, dass die Erstellung der Bilanzen 2002 zu Handlungsbedarf führt.
Eine Beschleunigung der Konzentration erwartet auch Bernd Michaels, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Ich sehe zwar keine ausgesprochene Fusionswelle in den nächsten Monaten“, sagte Michaels der FTD. „Aber im Moment gibt es ja überhaupt keine Bewegung. Das wird sich ändern, wir werden eine Reihe von Übernahmen erleben.“
Die geringe Anzahl von Deals in den letzten Monaten liegt nicht am Mangel an Angeboten – im Gegenteil, einige Unternehmen oder Geschäftsbereiche sind auf dem Markt. Die Wüstenrot&Württembergische-Gruppe (W&W) sucht bisher erfolglos einen Käufer für ihren Industrie-und Transportversicherer Wüba, ähnlich geht es der Axa-Gruppe mit der Darag in Berlin. Die Credit Suisse würde die Winterthur-Versicherungsgruppe lieber heute als morgen verkaufen, wenn sie denn einen ordentlichen Preis erzielen könnte. Die Gothaer konnte für ihren Kreditversicherer keinen Käufer finden und musste ihn deshalb schließen.
Mühselig, aber letztendlich erfolgreich, gestaltete sich nur der Verkauf der Securitas durch die britische Royal Sun Alliance an die Baloise.
Die Probleme sind nicht auf die Erstversicherer beschränkt. Gerling versuchte, die Gerling Globale Rück zu verkaufen – ohne Erfolg. Als Konsequenz wurde das Hauptgeschäft Schaden-und Unfallrückversicherung eingestellt, das Unternehmen zur Abwicklung übergeben. Auch für die anderen Teile der Gerling-Gruppe ist die Partnersuche schwierig.
Für den Mangel an Käufern gibt es handfeste Gründe. Die großen Versicherungs-Aktiengesellschaften haben mit dem Einbruch ihrer Aktienkurse zu kämpfen. Das setzt sie unter Druck von Anlegern und Analysten und vermindert die Möglichkeit, mit Aktien zu zahlen. „Sollte die Allianz einen großen Versicherer mit Problemen kaufen wollen, würde das ihren Aktienkurs halbieren“, sagte ein Versicherer. Den zahlreichen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit fehlt es an Geld für direkte Übernahmen. Hier bieten sich zwar Fusionen an, aber die sind notorisch kompliziert.
Außerdem sorgen sich mögliche Käufer um Altlasten und Problemfälle bei den zu übernehmenden Versicherern. Zu Recht: Die Experten sind sich einig, dass zahlreiche Gesellschaften wirtschaftlich erheblich unter Druck stehen. Dazu tragen die Aktienmärkte bei, denn viele müssen hohe Abschreibungen vornehmen, selbst wenn der Dax sich erholen sollte und Bestände abgesichert sind. Auch die 90 Prozent des Anlageportefeuilles, die aus festverzinslichen Papieren bestehen, sind keineswegs problemfrei: Nicht wenige Versicherer haben in den letzten Jahren versucht, mit riskanten strukturierten Produkten die Rendite zu erhöhen. Da gibt es Step-Down-Anleihen, die im ersten Jahr bis zu 20 Prozent verdienen, dann aber jahrelang nur zwei Prozent. Bei anderen Produkten sind die Zinssätze an den Dax-Stand gebunden: Über einem Wert X gibt es hohe Zinsen, darunter verliert der Anleger Geld. Viele haben auch Kreditrisiken der Banken in Form von angeblich festverzinslichen Papieren übernommen. Die gewaltige Hebelwirkung dieser Produkte wird sich 2003 und 2004 entfalten – und die Zahl der Not leidenden Versicherer, die dringend einen Käufer suchen, weiter erhöhen.
Zitat:
„Die Konzentration in der Assekuranz wird sich beschleunigen“ – GDV-Präsident Michaels
Bild(er):
Für viele verkaufs-und fusionswillige Gesellschaften aus der Versicherungsbranche wird die Suche nach einem Käufer zu einem Hürdenlauf – Imago/Schiffmann.
Quelle: Financial Times Deutschland
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