MLP zieht Bilanz-Notbremse

Finanzvertrieb beendet umstrittene Vorfinanzierungspraxis “ Neuer Vorstand setzt sich durch

Von Herbert Fromme, Wiesloch In nur knapp fünf Wochen beim Finanzdienstleister MLP hat Finanzchef Uwe Schroeder-Wildberg nicht nur die Bilanzierungspraxis des Unternehmens komplett umgekrempelt. Er hat auch den Mythos der scheinbar unaufhaltsam wachsenden Verkaufsmaschine MLP, die jedes Jahr um mindestens 30 Prozent bei Umsatz und Gewinn zulegte, gründlich zerstört.

Denn zumindest für die letzten Jahre war die Gewinnsteigerung nur durch Vorfinanzierungen von außen möglich, die in der Bilanz nicht gezeigt wurden.

„Wir sehen das als Befreiungsschlag. Wir entziehen den Kritikern den Boden“, sagte Konzernchef und Großaktionär Bernhard Termühlen. Ob der angesichts erheblicher Unruhe unter den 3000 Vertretern – von denen 20 Prozent im letzten Jahr MLP verließen – und des gesunkenen Kundenvertrauens reicht, wird sich zeigen. Termühlen wollte von einem Rückzug nichts wissen.

Der MLP-Chef sagte, die bisherige Bilanzierungspraxis sei völlig legitim, alle Vorwürfe gegen MLP würden demnächst durch ein Gutachten der Professoren Küting und Weber widerlegt. Jetzt wolle man aber die Kritik zur Gänze ausräumen „und ein für alle Mal die Diskussionen und Spekulationen beenden“.

Bei den jetzt abgestellten Praktiken geht es um Vorfinanzierungen. Der MLP-Vertrieb, das Herzstück der Gruppe, verkauft unter anderem fondsgebundene Lebensversicherungen der konzerneigenen MLP Leben. Die Kunden zahlen die Vertriebskosten des Versicherers bei Fondspolicen in der Regel nicht, wie bei vielen klassischen Lebenspolicen, in den ersten Monaten der Laufzeit, sondern verteilt über die volle Vertragsdauer und damit über mindestens zwölf Jahre.

Um die von den Kunden an MLP mit der Prämie zu zahlenden Kostenerstattungen vorzufinanzieren und die Gewinne nach oben zu drücken, griff das Unternehmen zu zwei Methoden: Für die Ansprüche aus den Jahren eins bis sechs wurden Rückversicherungskonstruktionen gewählt. Die entsprechenden Einnahmen tauchten in den Bilanzen der Vorjahre auch separat auf.

Für die Jahre sieben bis zwölf der Vertragslaufzeit verkaufte MLP die Ansprüche an die eigenen Kunden auf dem Weg des Factoring an Rückversicherer. Die dabei erzielten Einnahmen wurden aber nicht separat gezeigt, sondern gingen in die große Position „Umsatzerlöse“. Die konnte Termühlen so fast nach Belieben steuern und den Gewinn beeinflussen

Jetzt hat MLP einen Schnitt gemacht. Offenbar war Schroeder-Wildberg die Praxis zu heiß. Die Rückversicherungsgeschäfte wurden zurückgefahren, das Factoring aufgegeben und Rückstellungen für alte Factoring-Geschäfte in Höhe von 120 Mio. Euro gebildet. Andere notwendige Rückstellungen und Wertberichtigungen beliefen sich auf 26 Mio. Euro.

Selbst der Sondergewinn aus dem Verkauf der österreichischen MLP in Höhe von 85 Mio. Euro wird für 2002 unter dem Strich keinen Gewinn ermöglichen. Ob MLP eine Dividende zahlt, ist noch nicht entschieden.

Zitat:

„Wir entziehen den Kritikern den Boden“ – MLP-Chef Termühlen

Bild(er):

Schwaches Wachstum beim Umsatz, ein sehr moderater Anstieg der Kundenzahl und ein völlig ungewohnter Verlust zeigen die Probleme beim Heidelberger Finanzvertrieb

Weiterer Bericht Seite 23.

Quelle: Financial Times Deutschland

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