Höhere Selbstbeteiligungen “ Assekuranz gibt Opposition gegen erwogene Pflichtversicherung auf
Von Herbert Fromme, Köln, und Sven Clausen, Frankfurt Mit einer neuen Einteilung aller Wohngebäude in Deutschland nach ihrem Flutrisiko sowie mit Preisänderungen und höheren Selbstbehalten reagiert die Allianz auf die hohen Schäden des Jahres 2002.
Gleichzeitig haben der Marktführer und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ihren harten Widerstand gegen eine staatlich verordnete Flut-Pflichtversicherung für alle Gebäudebesitzer aufgegeben. Gespräche zwischen Justizministerin Brigitte Zypris und dem GDV fänden noch im Februar statt, sagte eine GDV-Sprecherin. Bis Ostern soll ein Vorschlag der Justizministerin vorliegen.
„Bei Naturgefahren war 2002 das schlechteste Jahr seit Kriegsende“, sagte Allianz-Vorstand Reiner Hagemann der FTD. Sechs kräftige Stürme und die Flut kamen zusammen. Der Gesamtschaden für die Allianz allein aus den Überschwemmungen im Inland summierte sich auf 770 Mio. Euro, davon waren bis Ende Januar 635 Mio. Euro ausgezahlt. Auch nach Erstattung durch die Rückversicherer bleibt ein Nettoschaden von rund 300 Mio. Euro.
Bisher teilen die deutschen Versicherer Flutrisiken nach einem GDV-Modell in drei Kategorien ein – Wiederkehrwahrscheinlichkeit der Flut bis zehn Jahre, bis 50 Jahre und über 50 Jahre. Der GDV arbeitet nun die Erfahrungen aus dem Sommer ein. „Das Modell wird feiner“, sagte eine Sprecherin.
Darauf will die Allianz nicht warten. Schon in wenigen Monaten will sie ihr eigenes System vorstellen. „Das wird in den kritischen Bereichen bis auf jedes einzelne Haus heruntergebrochen. Als Risikofaktoren kommen Starkregen und Deichschutz hinzu. „Wir werden neue Konditionen mit höheren Prämien und Selbstbehalten durchsetzen“, sagt Hagemann. Der Konzern ist besonders hart von der Sommerflut 2002 betroffen, weil er 1990 die frühere Staatliche Versicherung der DDR übernommen hatte. In den noch gültigen Haushaltspolicen der Staatlichen sind Flutschäden automatisch gedeckt. Bei Gebäuden haben mehr als 70 Prozent der ostdeutschen Kunden das Risiko mitversichert, im Westen weniger als acht Prozent.
Nach Angaben Hagemanns, der Mitglied des GDV-Präsidiums ist, hat die Assekuranz ihren langjährigen Widerstand gegen eine Pflichtversicherung für Flutschäden aufgegeben. „Prinzipiell bin ich gegen staatliche Interventionen. Wo der Markt funktioniert, sollte die Deckung dem Markt überlassen werden. Das ist für Sturm und Hagel so.“ Bei Flut-und Erdbebenrisiken hätten aber 10 bis 20 Prozent der Gebäudeeigentümer Probleme, sich zu versichern.
„Trotz aller Bedenken sind wir gesprächsbereit“, sagte Hagemann. Wenn die Regierung ein staatliches Modell wolle, werde die Branche entsprechende Vorschläge auf Grund der Erfahrungen anderer Länder machen. „Unser Ziel dabei bleibt: so wenig Intervention wie möglich.“ Auf jeden Fall müsse die Lösung wettbewerbsneutral sein.
Die Regierung habe mit der Einführung einer Pflichtversicherung möglicherweise ein politisches Problem, denn Bewohner kaum gefährdeter Gebiete müssten flutbedrohte Gebäudebesitzer subventionieren. „Es stellt sich die Kernfrage, ob der Staat eine Pflichtversicherung einführen darf, wenn nicht jedermann schutzbedürftig ist.“ Das sei aber kein Problem der Assekuranz, sondern der Politik.
Zitat:
„Unser Ziel dabei bleibt: so wenig Intervention wie möglich“ – Reiner Hagemann, Allianz-Vorstand
Bild(er):
Die Versicherer mussten nach der August-Flut 2002 für zahlreiche zerstörte Gebäude – hier in Weesenstein bei Pirna – aufkommen – ddp.
Quelle: Financial Times Deutschland
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