Dresdner-Bank-Chef Bernd Fahrholz wurde zur tragischen Figur, weil er sein Institut nicht aus den roten Zahlen bringen konnte. Doch die Ursachen für die Misere der Allianz liegen tiefer. Der neue Konzernchef Michael Diekmann muss sich als Sanierer bewähren
Von Herbert Fromme, Köln, und Harald Ehren, Hamburg Jürgen-Ponto-Platz, 31. Stock: Hier präsentiert sich die Dresdner Bank mit ihrem Spiegelsaal in voller Pracht – eine Reminiszenz an bessere Zeiten. Aus luftiger Höhe geht der Blick auf die Türme der Financial Community. Eigentlich sollte der Raum am 25. März in hellem Glanz erstrahlen. Waren doch für diesen Tag die Granden der Mainmetropole eingeladen. Bernd Fahrholz wollte als Dresdner-Bank-Chef und Initiator der Initiative „Finanzplatz Frankfurt“ Top-Manager zum konstituierenden Treffen an einen Tisch bringen. Die Bosse der Banken sollten beraten, wie Frankfurt wieder in einer Liga mit London und New York spielen kann.
Doch dazu wird nun nicht mehr kommen. Der Spiegelsaal wird am 25. März für eine anderen Anlass gebraucht: An diesem Tag versammelt sich dort nämlich der Aufsichtsrat der Dresdner Bank um Herbert Walter als neuen Vorstandssprecher des Geldhauses zu inthronisieren – und Bernd Fahrholz wird aus seinem Amt verabschiedet
Mit dem Abtritt von Fahrholz fällt der Vorhang einer Inszenierung, die als einzigartige Erfolgsgeschichte angekündigt worden war und als traurige Klamotte endete: Die Übernahme der Dresdener Bank durch den Allianz-Konzern. Fahrholz musste dabei am Schluss die Rolle des gescheiterten Helden geben, der noch scheinbar unverdrossen für seine Bank focht, während das kundige Publikum längst wusste, dass er seit dem angekündigten Rückzug seines einstigen Fürsprechers, Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle, auf verlorenem Posten kämpfte.
Montag mittag war Fahrholz zu Schulte-Noelle nach München gereist, um dem in dessen Büro in der Allianz-Zentrale in der Königinstraße sein Rücktritts-Schreiben zu übergeben. „Ihr Nachfolger steht vor weitreichenden Entscheidungen über die künftige strategische Ausrichtung des Konzerns“, stand darin. „Entscheidungen, die gerade auch die Dresdner Bank angehen, letztlich aber im Interesse des Gesamtkonzerns zu treffen sind. Dem möchte ich nicht im Wege stehen.“
Gestern wurde Fahrholz‘ Rückzug von der Spitze der Dresdner Bank offiziell bestätigt – genau einen Tag vor der Bekanntgabe des Rekordverlustes von 1,2 Mrd.Euro auf der heutigen Bilanzkonferenz des Allianz-Konzerns. Fahrholz hat seinem alten Arbeitgeber einen letzten, unschätzbaren Dienst erwiesen: Er übernimmt die Rolle des Prügelknaben, der für das schlechte Ergebnis in großen Teilen verantwortlich gemacht werden kann – und verhilft dem künftigen Allianz-Chef Michael Diekmann, der ab Ende April die Geschäfte übernimmt, zu einem unbelasteten Start.
Schon seit Monaten hatten die Allianz-Oberen nach einen Nachfolger für Fahrholz gesucht. Ein interner Kandidat für den Knochenjob der Sanierung der tief in die roten Zahlen gerutschten Bank wurde nicht gefunden. Schließlich ließ sich mit Herbert Walter ein Deutsche-Bank-Manager für die Herausforderung begeistern.
Fahrholz‘ „öffentliche Kreuzigung“, so ein Manager der Dresdner Bank, kündigte sich seit Monaten an: „Wer mir heute mit Entschuldigungen kommt, die nicht plausibel sind, der hat ein Problem mit mir“, hatte Schulte-Noelle bereits Ende vergangenen Jahres unverhohlen in Richtung Frankfurt gedroht. In den vergangenen Monaten war offensichtlich geworden, das Fahrholz mit seinem Programm „Turnaround 2003“ das Ziel eines ausgeglichenen operativen Ergebnisses im laufenden Jahr nicht würde erreichen können.
Dabei hatte die Allianz die Bank 2001 mit großen Erwartungen übernommen: Mit deren Filialnetz wollte der Konzern seine Spitzenposition im schnell wachsenden Geschäft mit der Altersvorsorge weiter ausbauen. Längst aber ist klar, dass der Kauf ein Missgriff war. Das Firmenkundengeschäft der Dresdner Bank erwies sich ebenso wie das Investmentbanking als Sanierungsfall, das Privatkundengeschäft erfüllte nicht die hoch gesteckten Erwartungen. Allein im ersten Halbjahr 2002 hat die Bank das Konzernergebnis mit einem Verlust von 1,06 Mrd. Euro belastet.
Fahrholz versuchte vergeblich, die Dresdner mit rigiden Reformen wieder auf Gewinn-Kurs zu bringen: Bis 2004 sollen 11 000 der einst 50 000 Arbeitsplätze wegfallen. Konsequent wurden die Kosten in allen Abteilungen zurückgeschnitten. „Fahrholz war strategisch immer richtig ausgerichtet, er wollte das Konzept des integrierten Finanzdienstleisters mit der Allianz durchziehen“, heißt es aus dem Aufsichtsrat der Dresdner Bank. „Er war immer konsequent und bekommt nun die Quittung.“
Schulte-Noelle und Fahrholz hatten die Übernahme der Bank gemeinsam eingefädelt und die seither vollzogenen Fusionsschritte organisiert. Doch jetzt braucht der neue Allianz Chef Diekmann freie Hand, um zu retten, was noch zu retten ist. Alte Zusagen, deren Einhaltung Fahrholz von der Allianz einfordern könnte, wären da äußerst hinderlich.
Dem scheidenden Allianz-Chef ist es gelungen, sich mit ein paar Schrammen in den Aufsichtsrat zu retten. Schulte-Noelle wird dort weiter den Part des erfolgreichen Unternehmenslenkers geben können, der den Aufstieg der Allianz zum Weltkonzern maßgeblich mit gestaltete. Fahrholz muss dagegen die undankbare Rolle des gescheiterten Bankers übernehmen, der das Verlust bringende Geldhaus nicht schnell genug auf Vordermann bringen konnte.
Eine Inszenierung ganz im Sinne der Allianz-Manager: Hier die erfolgreichen Versicherer, die das Geld verdienen. Dort die mittelmäßigen Banker, die mit der Sanierung nicht vorankommen. Durch die öffentliche Fokussierung auf die Bank lässt sich leichter kaschieren, dass die Allianz bei ihrer Expansion seit Anfang der 90er Jahre auch im Versicherungsgeschäft gewaltige Fehler gemacht hat, die mindestens ebenso zu den aktuellen Problemen beitragen wie die Defizite der Dresdner.
In den vergangenen 20 Jahren unter den Vorstandschefs Wolfgang Schieren und Schulte-Noelle ist aus dem grundsoliden, etwas langweiligen Marktführer in Deutschland ein Weltkonzern mit einem schwer zu überschauenden Konglomerat aus Versicherern, Vermögensverwaltern und Banken geworden.
Doch die Einbrüche an den Finanzmärkten haben den Riesen ins Straucheln gebracht: Ein großer Teil des Verlusts der Allianz stammt aus riskanten Auslandsengagements und hohen Abschreibungen auf Kapitalanlagen, etwa in Telekom-und Internetwerte. Auch der Versuch, eine nach dem Modell des Finanzdienstleisters MLP gestrickte Verkäufertruppe für betuchte Kunden aufzubauen schlug fehl – und kostete hunderte von Millionen. Die Zeche dafür muss nun mit Hilfe der Erträge aus dem alten Kerngeschäft mit den deutschen Autofahrern, Gebäudebesitzern, Unfall-oder Lebensversicherungskunden beglichen werden.
Der neue Konzern-Chef Diekmann kennt die Probleme wie kein anderer. Einen Bad Guy von der Bank, auf den er die Probleme schieben kann, hat er nun nicht mehr. Er muss selber ran. Wie bei der vor zehn Jahren übernommenen US-Tochter Fireman’s Fund, deren schlecht gehendes Geschäft er in den vergangenen Monaten zu sanieren versuchte – bislang ohne durchgreifenden Erfolg.
Zitat:
„Fahrholz war strategisch immer richtig ausgerichtet“ – Ein Aufsichtsratsmitglied der Dresdner Bank
„Dem möchte ich nicht im Wege stehen“ – Dresdner-Bank-Chef Bernd Fahrholz in seinem Rücktrittsschreiben
Bild(er):
Der Wechsel auf dem harten Regiestuhl der Dresdner Bank hatte sich schon seit längerem angekündigt – Cinetext; laif/Gabi Gerster (2); laif; Dresdner Bank.
Quelle: Financial Times Deutschland
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