Versicherer mit leichtem technischem Verlust in der Kernsparte “ Direktregulierung mit dem eigenen Versicherer kommt nicht
Von Ilse Schlingensiepen und Herbert Fromme Die dritte Preiserhöhungsrunde in Folge konnten die Autoversicherer 2002 durchsetzen. Aber zufrieden ist die Branche nicht. „Um aus den roten Zahlen zu kommen, wäre es nötig gewesen, mindestens das Steigerungsniveau des Jahres 2001 von 4,8 Prozent zu verstetigen“, sagte Edmund Schwake, Vorstandsmitglied des W&W-Konzerns und Vorsitzender des zuständigen GDV-Fachausschusses für Schaden-und Unfallversicherung. Davon sei die Branche aber mit 2,9 Prozent Erhöhung der Beitragseinnahmen im Jahr 2002 weit entfernt. „Es wundert uns deshalb nicht, dass die Zunahme der Schadenaufwendungen um 2,8 Prozent, verursacht durch unwetterbedingte Voll-und Teilkaskoschäden, dafür sorgt, dass die Schaden-Kosten-Quote bei 102 Prozent bleibt“, sagte Schwake.
Das heißt, die Versicherer müs-sen in ihrer größten Sparte im Schaden-und Unfallbereich immer noch 1,02 Euro für Schäden und Kosten pro eingenommenem Prämieneuro ausgeben. Das war in den vergangenen Jahren nie ein Problem. Schließlich haben die Unternehmen gerade in der Auto-Haftpflichtversicherung hohe Schadenreserven, die zum Teil sehr lange bei ihnen stehen – wenn sie zum Beispiel für die Zahlung von Renten an Unfallopfer gebraucht werden. Mit diesen Rückstellungen erzielen die Versicherer Anlagegewinne, die trotz roter Zahlen in der eigentlichen Versicherungstechnik einen Gewinn ermöglichen.
Die Krise an den Börsen und die niedrigen Zinsen stören diese Mechanik empfindlich. Jetzt wird es für die Unternehmen deutlich schwerer, trotz eines versicherungstechnischen Verlustes ein gutes Gesamtergebnis zu erreichen. Dabei handelt es sich nicht um kleine Summen. In der Autoversicherung nahm die Branche im Jahr 2002 insgesamt 21,9 Mrd. Euro ein, nach 21,3 Mrd. Euro im Vorjahr. Zwei Prozent technischer Verlust belaufen sich auf fast 450 Mio. Euro.
Das Abflachen der Prämiensteigerung ist einer Reihe von Faktoren geschuldet. In den Jahren 2000 und 2001 hatten sich die Versicherer auf die Sanierung des hoch defizitären Geschäfts mit Dienstwagen gestürzt. Im so genannten Flottenbereich waren die Preise auf Tiefstniveau heruntergewirtschaftet. Die dort durchgesetzten Erhöhungen schlugen sich sofort deutlich in den Umsatzzahlen nieder. Im Privatkundengeschäft, das seitdem mehr im Mittelpunkt der Anhebungsbemühungen steht, sind höhere Preise nicht ganz so leicht durchzusetzen – auch deshalb, weil mehr Versicherer wieder die Schaden-und Unfallversicherung als lukrativen Geschäftszweig entdecken und die Konkurrenz schärfer wird. Außerdem führen die Schadenfreiheitsrabatte jedes Jahr zu einem Absinken des Preisniveaus.
Die Schadenbelastung blieb im Jahr 2002 moderat. Die Unternehmen gaben 20,7 Mrd. Euro für Schäden und Schadenregulierungskosten aus – dazu kommen noch die Kosten für die Verwaltung und den Vertrieb in Höhe von rund 1,3 Mrd. Euro. Das ist um so bemerkenswerter, als im Jahr 2002 die Flut für die Autoversicherer mit Schäden von 60 Mio. Euro zu Buche schlug. Der flache Schadentrend ist vor allem auf die Haftpflichtversicherung zurückzuführen, dort gingen die Aufwendungen weiter zurück.
In der Vollkasko-Deckung dagegen stieg der versicherungstechnische Verlust auf rund 400 Mio. Euro, die Schaden-und Kostenquote betrug 107 Prozent der Beitragseinnahmen. In Teilkasko mussten die Versicherer nach einem ordentlichen technischen Gewinn von 168 Mio. Euro im Vorjahr in 2002 einen Verlust von 50 Mio. Euro hinnehmen. Beunruhigend ist das Gesamtbild aber nicht.
Der Schadentrend sollte auch in diesem Jahr eher flach bleiben. Dazu trägt auch das neue Schadenersatzrecht bei. Danach dürfen Unfallopfer, die ihren Wagen selbst oder überhaupt nicht reparieren, dem Versicherer für den zu ersetzenden Schaden nicht auch noch die Mehrwertsteuer berechnen.
Negativ zu Buche schlagen könnte die Absicht der Bundesregierung, die 2002 auf Eis gelegten Pläne für eine Erhöhung der Anwaltshonorare wieder aufzugreifen. Das wird auch für die Autoversicherer zu erheblichen Mehrkosten führen.
Eines der größten Reformvorhaben der letzten Jahre haben die Autoversicherer dagegen beerdigt. Die so genannte Direktregulierung, die von der Allianz und anderen großen Gesellschaften gefordert worden war, kommt nicht.
Bei der Direktregulierung rechnet ein Autofahrer einen Schaden, den ein Dritter verursacht hat, mit der eigenen Versicherung ab und nicht mit der des Unfallgegners. Das Verfahren ist in vielen anderen europäischen Ländern üblich. Die Versicherer versprachen sich Kostensenkungen. Für die Unfallopfer hätte sich nichts geändert, nur der Service wäre besser geworden, argumentierten Branchenvertreter.
Nach einer einjährigen Diskussion im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Streitgesprächen unter anderem auf dem Verkehrssicherheitstag in Goslar und langwierigen Studien stellt der Verband die Arbeiten an dem ehrgeizigen Projekt ein.
„Im Ausland entstand das System aus der Unzufriedenheit mit der Schadenabwicklung durch den gegnerischen Versicherer. In Deutschland sind solche Beschwerden nicht bekannt“, erläuterte Schwake. „Demgegenüber stehen aber erhebliche Einführungskosten, die den Preis für dieses zusätzliche Angebot bestimmt hätten.“
Neben der Furcht, diese Kosten nur schwer an die Kunden weitergeben zu können, machen sich die Versicherer auch Sorgen um ihre Abrechnung untereinander. Es gebe „die großen Probleme, ein treffsicheres pauschales Regresssystem zu entwickeln“, sagte Schwake. „Ich will nicht ausschließen, dass die Überlegungen für die Direktregulerierung eines Tages wieder aufgegriffen werden. Vorerst jedoch bleibt alles beim Alten.“
Eine andere von der EU angestoßene Reform hat die Assekuranz in der Zwischenzeit umgesetzt. Gemäß der 4. Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie der EU müssen alle Versicherer in allen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums durch Schadenrepräsentanten vertreten sein. Dahinter steht die Idee, dass jeder Geschädigte das Recht haben muss, seine Ansprüche in seiner eigenen Sprache gegen ausländische Versicherer auch dann durchzusetzen, wenn der Unfall im Ausland geschah.
Zitat:
„Wir hätten mindestens 4,8 Prozent mehr gebraucht“ – Edmund Schwake
Bild(er):
Ein Blechschaden wird von der Berliner Polizei aufgenommen. Deutsche Autoversicherer gaben im Jahr 2002 für Schäden und Schadenbearbeitung 20,7 Mrd. Euro aus, 2,8 Prozent mehr als im Vorjahr – Action.
Quelle: Financial Times Deutschland
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