Assekuranz ringt um Pflichtversicherung

Regierung will Sturmrisiko trotz Protest einschließen · Branche fürchtet Wegfall der Gebäudeversicherung · 2003 läuft gut an

Von Herbert Fromme, Berlin Versicherer und Politik streiten sich um den Umfang der geplanten Naturkatastrophen-Zwangsversicherung. Es gebe erhebliche Meinungsverschiedenheiten, sagten Vertreter des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Rande einer Pressekonferenz in Berlin. Die Versicherer wollen die Zwangsversicherung auf Flut-und Erdbebenrisiken beschränken. „Die Bundesregierung möchte aber aus verfassungsrechtlichen Gründen das Sturmrisiko einschließen“, sagte Rolf Pohlhausen, Chef der Versicherungsgruppe Hannover und stellvertretender Vorsitzender des GDV-Fachausschusses Schaden/Unfall. Die Argumentation der Politik: Für eine Pflichtdeckung nur für Flut und Beben müsste auch der Besitzer eines Gebäudes zahlen, der von beiden Risiken gar nicht bedroht ist. Dass er jemals Leistungen bezieht, wäre höchst unwahrscheinlich. Das würde dann wie eine Steuer wirken. Sturmrisiko gibt es dagegen überall.

Sollte sich die Regierung durchsetzen, droht der Assekuranz der Wegfall eines lukrativen Geschäfts: Die Pflichtversicherung würde die bisherige Gebäudeversicherung ersetzen, bei der Sturmschäden ein Hauptrisiko sind. Allein von Privatkunden nimmt die Branche hier jährlich 3,6 Mrd. Euro ein, ohne Industrie und Gewerbe. Marktführer sind die öffentlichen Versicherer, die den Sparkassen gehören, gefolgt von der Allianz.

„Wir sind damit nicht glücklich“, sagte Pohlhausen. Bei Sturm sei keine Pflichtversicherung nötig: „Das haben wir gut im Griff.“ Die Branche fürchtet so genannte schlechte Risiken: unversicherbare Gebäude, vor allem schlecht instand gehaltene Schuppen in der Landwirtschaft. „Die wären dann alle mit gedeckt“, sagte Pohlhausen. Doch damit nicht genug: Die Versicherer wollen nur Gebäude und möglicherweise die Betriebsunterbrechung von Unternehmen abdecken.

Die Länderfinanzminister fordern, dass auch der Inhalt, also Maschinen und Hausrat enthalten sind. Die Versicherer bestehen darauf, dass der Staat bei der Zwangsversicherung als Rückversicherer einspringt. Das Risiko sei privatwirtschaftlich nicht zu decken. „Wir schätzen, dass sich ein Höchstschaden auf 20 Mrd. Euro belaufen kann“, sagte Edmund Schwake, Vorstandsmitglied der W&W-Finanzgruppe und Vorsitzender des GDV-Fachausschusses. Die deutschen Erstversicherer könnten 2 Mrd. Euro Kapazität bereitstellen, einheimische und internationale Rückversicherer weitere 4 bis 6 Mrd. Euro. „Der Staat müsste mit mindestens 10 Mrd. Euro haften“, sagte Schwake.

Bis zur Konferenz der Ministerpräsidenten im November 2003 sollen die Streitpunkte ausgeräumt sein, hieß es gestern. Dann will eine Bund-Länder-Kommission mit Beteiligung der Versicherungswirtschaft Vorschläge für die Pflichtversicherung entwickeln.

Seit der Flutkatastrophe 2002 dringen Bund und Länder auf eine Pflichtdeckung, um die öffentlichen Haushalte nach Naturkatastrophen zu entlasten. Nach der Flut hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder allen Geschädigten staatliche Hilfe versprochen – das verschlang Milliarden. Die Flut kostete allein die Versicherer rund 2 Mrd. Euro, die Gesamtschäden werden auf mindestens das Fünffache beziffert. Viele Hausbesitzer waren nicht versichert, oft auch deshalb, weil die Assekuranz für Häuser in besonders exponierten Lagen bisher keine Deckung bietet.

Die Branche führt die Diskussion um die Zwangsversicherung nach einem schwierigen Jahr: In der eigentlichen Versicherungstechnik – Prämien abzüglich Schäden sowie Kosten – hatten die Unternehmen 2002 ein Defizit von 2,5 Mrd. Euro eingefahren. 2003 werde es wohl ein ausgeglichenes Ergebnis geben, hieß es. Die Branche profitiert von erheblichen Preissteigerungen: In der Industrieversicherung erwartet die Branche ein Plus von 13 Prozent, in der Autoversicherung von 2,5 Prozent.

Über den tatsächlichen Zustand der Versicherer sagt das allerdings wenig aus, weil die Schaden-und Unfallversicherer erhebliche Kapitalerträge aus ihren hohen Schadenreserven einnehmen. Die Höhe der Kapitalerträge wollte Schwake nicht beziffern. „Aber die gehen auch bei uns nach unten“, sagte er. Unverändert hoch blieben die Kosten: Sie machen rund 30 Prozent der Beitragseinnahmen aus. Für Schäden gibt die Branche 2003 geschätzte 63 Prozent der Beiträge aus. Weitere fünf Prozent entfallen auf die Schadenregulierungskosten der Versicherer.

Zitat:

„Das Höchstrisiko ist privatwirtschaftlich nicht zu decken“ – Edmund Schwake, GDV

Fluthelfer fahren am 17. August 2002 mit ihrem Schlauchboot durch die Altstadt Meißens. Die Jahrhundertflut beschädigt die historischen Häuser schwer – Reuters/Fabrizio Bensch.

Quelle: Financial Times Deutschland

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