Kartellamt geht gegen Allianz vor

Behörde beschuldigt Konzern der Federführung bei Preisabsprachen in der Industrieversicherung

Von Herbert Fromme, Köln Das Bundeskartellamt wirft der Allianz vor, Drahtzieher bei Preisabsprachen in der Industrieversicherung gewesen zu sein. Die Behörde geht davon aus, dass Versicherungsgruppen mindestens seit Mitte 1999 unter Führung der Allianz von Großkunden in der Industrie überhöhte Preise verlangt haben. Die Versicherer müssen mit Strafen rechnen, die sich im dreistelligen Millionenbereich bewegen. Dafür haben zumindest Allianz und Gerling schon Rückstellungen gebildet. Zudem könnten Kunden Ansprüche auf Schadensersatz stellen. Die krisengeschüttelte Versicherungswirtschaft steht damit in dieser Woche vor neuen Schwierigkeiten.

Vor einem Jahr, am 24. Juli 2002, hatten Mitarbeiter des Kartellamts und der Polizei die Büros von neun Versicherern und vier Niederlassungen und Tochterunternehmen durchsucht.

Nach der Auswertung des Materials ist das Kartellamt davon überzeugt, dass die Versicherer unter Führung der Allianz illegale Preisabsprachen getroffen haben.

Nach Angaben aus Branchenkreisen schickt das Amt in dieser Woche so genannte Beschuldigtenschreiben an Unternehmen und hochrangige Versicherungsmanager. Darin wird ihnen vorgeworfen, die Preisabsprachen getroffen zu haben – und zwar beginnend am 1. Juli 1999 mit einer Sitzung des Fachausschusses Industrielle Sachversicherung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Bei der Untersuchung geht es um Feuerpolicen, die nicht nur die Brandgefahr, sondern auch Sturm-und andere Sachschäden abdecken. Haftpflicht-und Autorisiken werden dagegen separat in anderen Verträgen versichert. 2002 nahm die Branche in der Industrie-Sachversicherung 3,4 Mrd. Euro ein, ein Plus von zwölf Prozent. Auch 2001 hatten die Industrie-Feuerversicherer ein leichtes Plus von 1,4 Prozent erzielt, nach jahrelangen Umsatzrückgängen und hohen Verlusten – die Folge eines harten Konkurrenzkampfes um Marktanteile, der Mitte der 90er Jahre begann.

Vor allem große Industriekonzerne mussten in den letzten zwei Jahren weit höhere Preise zahlen als zuvor und hatten trotzdem Probleme, die erforderliche Deckung zu bekommen. Die Versicherungsbranche geht davon aus, dass die Beschwerde eines „frustrierten Ruhrgebietskonzerns“, so hieß es bei einem der beschuldigten Unternehmen, die Kartellamtsaktion ausgelöst hat.

Neben der Allianz zählt der inzwischen stark angeschlagene Marktzweite Gerling zu den Beschuldigten, außerdem die Victoria Versicherung, die AMB Generali, die deutsche Tochter der französischen Axa-Gruppe, die Gothaer, die Provinzial Düsseldorf und die Sparkassenversicherung Stuttgart. Der drittgrößte Industrieversicherer HDI teilte auf Anfrage mit, er sei nicht betroffen.

Zu den Managern, die besonders im Visier des Kartellamtspräsidenten Ulf Böge stehen, gehören Walter Tesarczyk, Vorstand der Allianz Versicherung, und Leo Zagel, Vorstand bei Gerling-Konzern Allgemeine. Tesarczyk habe unter anderem interne Richtlinien für die Mitarbeiter der Allianz zur Preis-und Annahmepolitik im Industriefeuergeschäft bei einer GDV-Veranstaltung anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt, so ein Vorwurf.

Nach Zustellung der Beschuldigtenschreiben haben die Betroffenen sechs Wochen Zeit, sich zu äußern. Dann entscheidet das Kartellamt über mögliche Bußgeldbescheide. Sie können nach Angaben einer Sprecherin bis zum Dreifachen der durch die Preisabsprache erzielten Mehreinnahmen gehen. Im April hatte das Kartellamt gegen sechs Zementhersteller Bußgelder über insgesamt 661 Mio. Euro verhängt, die im Einzelnen zwischen 12 Mio. Euro und 252 Mio. Euro lagen.

In der Assekuranz wird mit „dreistelligen Bußgeldern“ gerechnet, die aber nicht die Höhe der Zement-Strafen erreichen würden. Allerdings machen sich die Versicherer Sorgen über drohende finanzielle Zusatzbelastungen. Im Zementverfahren haben verärgerte Kunden die Hersteller auf Erstattung der zu viel gezahlten Beträge verklagt, die umstrittene Summe übersteigt 1 Mrd. Euro.

Die Allianz, die bei den Versicherern der Drahtzieher der Preisabsprache gewesen sein soll, wollte sich gestern zu den Vorwürfen nicht äußern. Es seien aber finanzielle Rückstellungen für Bußgelder gebildet worden, sagte der Sprecher. „Außerdem haben wir bei der Allianz Versicherung die Systeme geändert und unabhängig von diesem Kartellverfahren spezielle Beauftrage für den Wettbewerb eingeführt.“ Auch Gerling wollte nicht Stellung nehmen.

Bild(er):

Die Behörde schreitet ein: Walter Tesarczyk (l.), Vorstand der Allianz Versicherung, steht im Visier des Kartellamtschefs Ulf Böge – Rolf Braun; Frank Darchinger; FTD-Montage.

Quelle: Financial Times Deutschland

Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.

Diskutieren Sie mit