Der offene Streit vor dem Branchentreffen in Monte Carlo offenbart die bisherige Fehleinschätzung der Rating-Agenturen – und zwingt die Münchener Rück zu einer neuen Strategie
Die Münchener Rückversicherung hat sich in eine wenig beneidenswerte Lage gebracht. Sie liegt im offenen Streit mit der Rating-Agentur Standard & Poor’s – ein Konflikt, den sie kaum gewinnen kann. Mit ihrer Entscheidung, den Weltmarktführer von einem ohnehin nicht mehr erstklassigen „AA-“ auf „A+“ herabzustufen, hat sich S&P nun öffentliche Kritik aus München in ungewöhnlicher Schärfe eingehandelt.
Ungewollt versorgt der sonst so gern im Hintergrund arbeitende Finanzgigant nun auch das globale Treffen der Rückversicherer in Monte Carlo mit Gesprächsstoff. Der raue Ton kommt nicht von ungefähr. Ratings sind für Rückversicherer noch wichtiger als Tests der Stiftung Warentest für Hersteller von Konsumgütern. Rückversicherer verkaufen Vertrauen in ihre langfristige Zahlungsfähigkeit. Setzen die Agenturen das Rating herab, steht dieses Vertrauen auf dem Spiel. Schließlich platzieren Erstversicherer große Risiken und Schutzdeckungen bei den Rückversicherern, weil sie sich auf deren Zahlungsfähigkeit verlassen.
Die Münchener Rück wird in den gegenwärtigen Vertragsverhandlungen kaum unter dem Rating leiden. Zu gut ist ihr Ruf, zu gut sind ihre Verkäufer. Das Argument der besonderen Sicherheit aber, mit dem sie nach dem Kollaps der Gerling Globale Rück gern für sich wirbt, ist angekratzt.
Langfristig ist ein schlechtes Rating für den Konzern inakzeptabel. Wenn der Vorstand aber bereits in einem Jahr wieder bei „AA“ stehen will, wird er die verlangten Kapitalmaßnahmen über kurz oder lang beschließen müssen.
Im Kern geht der Streit darum, ob die Münchener Rück ausreichend Kapital hat, um die übernommenen Risiken abzudecken. Großschäden wie beim World Trade Center und der Verfall der Aktienmärkte haben zu einem bedrohlichen Rückgang der Kapitalbasis geführt. Die Münchener Rück ist anfälliger als mancher Konkurrent, denn sie hat einen hohen Anteil ihrer Kapitalanlagen in Aktien angelegt.
Es ist paradox: Jahrelang ermöglichte der hohe Aktienanteil der Münchener Rück, im Kerngeschäft Verluste zu schreiben und ihren Marktanteil auszubauen.
Durch die Gewinne aus Aktienverkäufen und den Konzernbeteiligungen blieb unter dem Strich ein fettes Plus. Seit fünf Quartalen ist das anders. Während die Preise in der Rückversicherung so hoch sind wie seit vielen Jahren nicht, machen die Münchener Verluste. Die stammen auch aus Problemen der Erstversicherungstochter Ergo, die unter den unsinnigen Steuerregeln für Lebensversicherer ächzt. Damit seien auch die Möglichkeiten, die Kapitalbasis aus den operativen Gewinnen wieder aufzufrischen, erheblich beeinträchtigt, monierte Standard & Poor’s zu Recht. Hinzu kommt, dass die Rückversicherungsmärkte keineswegs unaufhaltsam höhere Preise hergeben, im Gegenteil: An der einen oder anderen Ecke bröckeln die Preise. Die Hoffnungen, aus den Gewinnen der Rückversicherung die dünne Kapitalbasis wieder aufbessern zu können, wären auch ohne die Probleme mit Aktien und Bankenbeteiligungen trügerisch.
S&P hat daher ultimativ eine Kapitalerhöhung bis zu 4 Mrd. Euro verlangt. Die Münchener Rück hat diese Pläne fertig in der Schublade, will aber „nicht mit der Pistole am Kopf verhandeln“, sagt ein Manager. Darauf hatte S&P mit der Herabstufung reagiert, und die Agentur AM Best, die vor allem in den USA stark beachtet wird, folgte.
Gerechtfertigt hat die Münchener Rück ihre hohe Aktienquote und die Beteiligungen an Erstversicherern immer mit dem Ausgleich zwischen verschiedenen Arten von Risiken. Wenn es zu Katastrophenschäden kommt, kann sie auf der anderen Seite der Bilanz mit Aktien immer noch gute Gewinne machen, so die Theorie.
Die vergangenen vier Jahre haben bewiesen, dass dieses Modell nicht mehr funktioniert. Die Großschäden fielen zusammen mit dem Aktiencrash. Die Lektion: Wer als Hauptgeschäft die Übernahme von gigantischen Versicherungsrisiken betreibt, darf sich bei der Absicherung dieser Risiken durch Kapitalanlagen nicht auf die Unwägbarkeiten der Aktienmärkte einlassen.
Deutsche Manager und Politiker kritisieren heute gern die Rating-Agenturen, vor allem Standard & Poor’s. Die Kritik ist fast immer in sich widersprüchlich: Einerseits wird den Agenturen vorgeworfen, gegenüber Unternehmen wie Münchener Rück oder ThyssenKrupp eine ungerechtfertigte Härte zu zeigen. Im nächsten Atemzug heißt es dann, die Agenturen hätten bei Enron oder Worldcom versagt und auch bei der Gerling Rück nicht früh genug gewarnt.
Tatsächlich aber müssen sich die Rating-Agenturen einen ganz anderen Vorwurf gefallen lassen: Sie haben jahrelang die doppelte Exponiertheit der Rückversicherer nicht ausreichend in ihren Bewertungen berücksichtigt. S&P ändert zur Zeit seine Gesamteinschätzung des Rückversicherungsmarktes nach unten. Offenbar hätten die großen Rückversicherer nie das Top-Rating „AAA“ bekommen dürfen – nicht, weil es sich um schlechte Unternehmen handelt, sondern weil ihr Geschäft an sich so risikoreich ist.
Zitat:
„Langfristig ist ein schlechtes Rating für einen Konzern inakzeptabel „
e-mail:
fromme.herbert@ftd.de.
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo