Reemtsma-Prozess schreckt Versicherer auf Raucherfall ist Indikator für größere Klagebereitschaft

Von Herbert Fromme, Köln Mit Sorge sehen Versicherer und Rückversicherer den Prozess des Frührentners Wolfgang Heine gegen den Tabakkonzern Reemtsma, der am Freitag vor dem Landgericht Arnsberg begann. Der schwer kranke Heine raucht seit fast 40 Jahren Zigaretten. Jetzt verlangt er Schadenersatz sowie Schmerzensgeld in Höhe von 213 000 Euro. Heine wirft Reemtsma vor, seine Kunden durch die Beimengung bestimmte Stoffe systematisch süchtig gemacht zu haben.

Heines Klage dürfte nach Ansicht der Versicherer scheitern. Das deutsche Haftungsrecht unterscheidet sich deutlich von dem der USA, wo mehrere Raucher erfolgreich gegen die Tabakindustrie klagten. Aber trotzdem ist die Assekuranz angesichts einer möglicherweise steigenden Zahl von Schadensfällen beunruhigt: Der Raucher-Prozess ist ein weiterer Beweis für den Trend zu mehr Klagen gegen Unternehmen, die für eine Krankheit oder einen Unfall verantwortlich gemacht werden.

Einer der Gründe sind die Einschnitte im staatlichen Sozialsystem – wenn es keine staatliche Rente wegen Berufsunfähigkeit mehr gibt, suchen Betroffene vermehrt Schadenersatz von vermeintlich Verantwortlichen. Dazu kommt eine Verschärfung der Gesetze, vor allem in der Frage der Beweislast, die vielfach den Unternehmen aufgebürdet wurde.

Das Verfahren wird von den Rechtsschutzversicherern genau beobachtet. Die Mecklenburgische Versicherung muss laut Urteil des Bundesgerichtshofs Heine den Prozess finanzieren. Der Versicherer hatte sich darauf berufen, dass Heine bei Versicherungsbeginn bereits nikotinsüchtig gewesen sei. Heines Anwalt argumentierte erfolgreich, dass erst mit der angeblichen Beimischung von Zusatzstoffen ab 1984 die Sucht begann. Damals war Heine schon versichert.

Die Mecklenburgische hatte in ihrer ersten Ablehnung nicht mit der Erfolglosigkeit der Klage argumentiert, sondern das Argument nachgeschoben. „Wenn die Erfolglosigkeit zwischen uns und dem Kunden umstritten ist, kann der Kunde ein ziemlich teures Schiedsverfahren initiieren“, sagte ein Sprecher der Mecklenburgischen. Deshalb sei es Usus, bei Ablehnung von Ansprüchen aus einem anderen Grund nicht gleichzeitig die Erfolglosigkeit anzuführen.

Der mögliche Erfolg werde vor jeder Instanz neu geprüft. Für die nächste Instanz müsse der Versicherer wohl nicht mehr zahlen.

Quelle: Financial Times Deutschland

Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.

Diskutieren Sie mit