Von Herbert Fromme, Köln Die Münchener Rück legte gestern das beste Quartalsergebnis seit Anfang 2002 vor. Dennoch wurde der Konzern von den Märkten mit einem Kursrückgang von 7,2 Prozent abgestraft. Der Gewinn fiel mit 152 Mio. Euro geringer aus als Analysten erwartet hatten. Außerdem schockierte die Nachricht von dem wahrscheinlichen Jahresverlust für 2003 viele Investoren. Finanzvorstand Jörg Schneider sagte, vor Steuern werde das Unternehmen einen deutlichen Gewinn ausweisen, nach Steuern werde der Verlust aber „im dreistelligen Millionenbereich“ liegen. Das ist das erste Mal seit dem Erdbebenschaden in San Francisco im Jahr 1906, dass die Münchener Rück rote Zahlen schreibt.
Auf einer Telefonkonferenz konnte das Management die Analysten nicht von seinen Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung überzeugen. Der Konzernvorstand bezeichnete das Ziel eines Jahresüberschusses von 2 Mrd. Euro für 2004 als „ehrgeizig, aber erreichbar“. Darin sahen manche Analysten offenbar eine Abkehr von dem Renditeziel von 12 Prozent auf das Eigenkapital von 18,8 Mrd. Euro. Danach müsste die Gruppe 2,3 Mrd. Euro verdienen.
Die Münchener Rück leidet weiter an ihrer Geschichte: dem hohen Engagement im deutschen Lebens- und Krankenversicherungsmarkt mit seinen im internationalen Vergleich niedrigen Margen und den Sonderproblemen aus Aktienverlusten, sowie den großen Beteiligungen im Bankensektor. Die operativen Verbesserungen, die zweifellos erzielt wurden, waren dagegen nach Ansicht vieler Branchenbeobachter nicht groß genug. Auf jeden Fall reichten sie nicht aus, um die negativen Entwicklungen aus den Problemzonen aufzufangen. „Die Münchener Rück macht es so wie seit fast zwei Jahren. Eigentlich läuft alles sehr gut, teilt sie mit, wenn es nur diesen oder jenen Sonderfaktor nicht geben würde“, sagte ein Londoner Analyst. Der neue Konzernchef Nikolaus von Bomhard, der am 1. Januar 2004 die Führung des Konzerns von Hans-Jürgen Schinzler übernimmt, werde daran gemessen werden, „ob er wirklich liefert“.
Der Konzern leidet immer noch an den Folgen des hohen Engagements in den Aktienmärkten. Zwar ist der Abschreibungsbedarf deutlich geringer als im Vorjahr, er wirkt sich aber im Gesamtergebnis für das Jahr 2003 deutlicher aus – denn im ersten Quartal 2002 konnte die Gruppe einen hohen Sonderertrag aus den Beteiligungstransaktionen mit der Allianz verbuchen. Dazu kommt im laufenden Jahr eine besondere Belastung durch die Steuergesetzgebung. Das so genannte Halbeinkünfteverfahren führt bei Lebens- und Krankenversicherern dazu, dass sie in guten Börsenzeiten auf die Gewinne aus diesen Anlagen direkt keine Steuern zahlen, bei Verlusten aus Aktienengagements aber vom Fiskus zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Die Münchener Rück ist über ihre Tochter DKV Marktführer bei der privaten Krankenversicherung und über die Hamburg-Mannheimer, Victoria und Karlsruher zweitgrößter Anbieter in der Lebensversicherung.
Der Konzern hat deshalb schon im ersten Halbjahr einen Steueraufwand von 1,4 Mrd. Euro ausgewiesen. Damit trägt er dieser Belastung Rechnung. Zwar kann das Unternehmen mit Recht erwarten, dass die Steuersituation entschärft wird. Doch käme bei einer Änderung des Steuerregimes eine neue Belastung auf den Konzern zu. Seine Lebens- und Krankenversicherer müssten für die stillen Reserven auf Kapitalanlagen, deren Auflösung künftig wieder besteuert werden soll, erneut latente Steuern bilden. Deshalb, so der Vorstand des Unternehmens, bleibt es auch bei einer Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat beim Nachsteuerverlust für die Münchener Rück.
Auch nach Herausrechnen des Steuerfaktors konnten die Zahlen der Münchener Rück nicht überzeugen. Zwar verbesserte sich im Kerngeschäft Rückversicherung die so genannte Schaden- und Kostenquote (combined ratio) deutlich. Sie lag aber mit 99,3 Prozent im dritten Quartal nur knapp unter der 100-Prozent-Marke, oberhalb derer ein Rückversicherer technische Verluste einfährt. Der Wert von 97,0 Prozent für die ersten drei Monate ist zwar um 30,3 Punkte besser als im Vorjahr, als hohe Altlasten abgedeckt werden mussten. Aber auch die 97 Prozent sind nach Ansicht vieler Analysten in der gegenwärtigen Marktphase kaum ausreichend. Immerhin erzielt die Branche heute die höchsten Preise seit Jahren – lange dürfte dieser Zustand nicht anhalten.
Bild(er):
Der künftige Konzernchef Nikolaus von Bomhard muss Ergebnisse liefern – Sven Simon
Quelle: Financial Times Deutschland
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