Von Herbert Fromme Das Unheil kündigt sich mit Zetteln an Haustüren und in Briefkästen an. „Liebe Nachbarn“, heißt es da, „wir drehen von Montag bis Mittwoch für den Sender XYZ eine Folge der beliebten Fernsehserie ABC in Ihrer Straße. Deshalb müssen leider alle Parkplätze gesperrt werden.“
Dann bevölkern drei Tage lang viele sehr wichtig aussehende junge Menschen die Straße. Sie haben Garderobenwohnwagen mitgebracht, Generatoren, Scheinwerfer und rollende Schnellimbisse, die sich „Catering“ nennen. Für die Bewohner besonders beliebter Kölner Kulissen wie dem Gerichtsgebäude am Reichensperger Platz oder dem Belgischen Viertel heißt das: lange Suche nach einem Parkplatz und trotzdem ein Strafmandat. Entsprechend kräftig wird auf die Filmleute geschimpft. Aber davon sollte sich niemand täuschen lassen. Die meisten Kölner sind stolz auf den Ruf ihrer Stadt als Medienzentrum, auch wenn sie das nie zugeben würden.
Allerdings finden sich in Köln auch in anderen Sparten Dienstleister mit bundesweitem, ja internationalem Renommee. Viele davon gehören zur Versicherungswirtschaft, einer zur Abfallwirtschaft: Köln ist nämlich die Heimat des Dualen Systems Deutschland, bekannter unter seinem Firmenlogo – dem grünen Punkt. Die Aufmerksamkeit der Stadt gilt aber vor allem den Medien.
RTL ist ein gutes Beispiel dafür, wie schnellfüßig die Stadt Köln bei Ansiedlungsproblemen der elektronischen Medien sein kann. Das alte RTL-Gebäude an der Aachener Straße platzt aus allen Nähten. Spätestens 2008 will der Sender umziehen. Lange Zeit hatte das Management einen Standort in Hürth vor den Toren Kölns favorisiert. In letzter Minute konnte die Stadt Köln die RTL-Führung umstimmen. Die Stadtsparkasse kauft über ihre Immobilientochter SKI einen Teil der denkmalgeschützten Messehallen. Das umgebaute Gebäude in begehrter Innenstadtlage wird zum Sendezentrum für RTL ausgebaut. Vorwürfe der unterlegenen Stadtverwaltung Hürth, der Mietpreis werde verdeckt subventioniert, weist Oberbürgermeister Fritz Schramma energisch zurück: „Subventionen sind mit Sicherheit nicht geflossen.“ Schrammas Eifer hat gute Gründe. Nach Angaben der IHK Köln ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Angestellten in Medien und IT in der Region Köln zwischen 1999 und Mitte 2002 um 24 Prozent gestiegen. Zuletzt betrug sie 52 300. Davon waren 11 300 bei Funk und Fernsehen sowie 5100 in der Filmindustrie beschäftigt.
Andere Dienstleistungssparten erhalten weniger Aufmerksamkeit von Oberbürgermeister und Stadtspitze. Das gilt auch für die Versicherer – obwohl Köln nach der jüngsten Umfrage des Arbeitgeberverbandes der Versicherungswirtschaft vom 30. Juni 2002 sogar die Versicherungshauptstadt Deutschlands ist. Die Zählung ergab hier 28 670 Angestellte. Damit liegt die Stadt knapp vor München mit 28 430 und Hamburg mit 23 890. Mitte 2000 besetzte Köln mit 24 610 Angestellten noch Platz zwei; Nummer eins war München mit 26 640 Beschäftigten.
Der Zuwachs von 4260 Arbeitsplätzen hat zwei Gründe. Erstens legte die gesamte Branche jahrelang zu, zuletzt um jeweils knapp ein Prozent. Zweitens profitieren die Unternehmen der Stadt von der Konsolidierung in der Versicherungswirtschaft.
Inzwischen ist der positive Beschäftigungstrend in der Branche bundesweit gekippt. Der Arbeitgeberverband erwartet erstmals einen Rückgang bei der Zahl Angestellten, wahrscheinlich um knapp ein Prozent. Der Trend dürfte sich noch beschleunigen und wird gerade in Köln Spuren hinterlassen. Die Turbulenzen um den Gerling-Konzern, der den größten Teil seines Rückversicherungsgeschäfts einstellen musste, hatten bereits Folgen für seine Beschäftigtenzahl. Gerling hat heute 7500 Mitarbeiter, vor drei Jahren waren es noch 13 400. Ein Teil davon ging in separate Firmen, aber auch das Kerngeschäft der Gruppe verlor 2900 Mitarbeiter.
Die anderen in Köln ansässigen Versicherer, darunter Axa, Gothaer, Roland oder General Re/Kölnische Rück, versuchen ebenfalls, die Kosten zu senken. Allerdings sind betriebsbedingte Kündigungen bisher selten oder werden sogar, wie im Fall Axa, ausdrücklich ausgeschlossen.
Zitat:
„Subventionen sind mit Sicherheit nicht geflossen“ – Fritz Schramma, Oberbürgermeister von Köln, zum RTL-Umzug in die Messehallen
Bild(er):
Der Gerling-Konzern – hier die Hauptverwaltung – muss sich nach einer Krise neu ordnen. Köln spürt den Wandel der Branche besonders – Laif/Manfred Linke
Quelle: Financial Times Deutschland
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