Von Alexandra Borchardt, München und Herbert Fromme, Köln ABB hat seine Rückversicherungsgesellschaft Sirius für den deutlich unter den Markterwartungen liegenden Preis von 425 Mio. $ veräußert. Der schweizerisch-schwedische Technologiekonzern, der sämtliche Aktivitäten außerhalb der Kerngeschäfte Automatisierungs- und Energietechnik auf die Verkaufsliste gesetzt hat, muss für den Ausstieg außerdem einen Verlust von 150 Mio. $ verbuchen. Käufer ist die auf den Bahamas ansässige White Mountains Insurance Group, die derzeit verstärkt in Europa expandiert.
Nach Angaben eines ABB-Sprechers geht der Verlust noch im laufenden Quartal in die Bilanz ein. Dies wird die Prognose nicht wesentlich beeinflussen, da ABB für 2003 ohnehin einen weiteren Jahresverlust angekündigt hat. Der Konzern musste die ursprüngliche Erwartung eines Gewinns zurücknehmen, nachdem der Verkauf der Sparte Öl, Gas und Petrochemie (OGP) an die Finanzinvestoren Candover, JP Morgan und 3i nicht wie angekündigt noch in diesem Jahr komplett über die Bühne gehen wird. Auch der Schuldenabbau war dadurch ins Stocken gekommen. ABB rechnet allerdings weiterhin mit einer Vertragsunterzeichnung bis Jahresende.
Die Sirius Insurance Group ist in Schweden beheimatet und gehörte zur ABB-Finanzdienstleistungssparte, von der weite Teile bereits an GE Capital verkauft wurden. Mit rund 200 Mitarbeitern erzielte die Gruppe in den ersten neun Monaten des Jahres Einnahmen von 572 Mio. $ bei einem Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von 99 Mio. $. Genehmigen die Aufsichtsbehörden den Verkauf, soll er den Unternehmen zufolge im zweiten Quartal 2004 abgewickelt sein. ABB wurde bei dem Geschäft von der Deutschen Bank beraten. Die ABB-Aktie reagierte gestern kaum.
Für White Mountains, an dem die Gesellschaft Berkshire Hathaway des legendären US-Finanzinvestors Warren Buffett beteiligt ist, ist es bereits der vierte Kauf in diesem Jahr. Der Versicherer geht im positiven Sinne opportunistisch vor. Er zieht sich schnell aus schwachen Märkten zurück, geht aber mit hoher Kapazität in Bereiche, in denen hohe Preise und gute Versicherungsbedingungen zu erzielen sind.
ABB-Finanzchef Peter Voser nannte die Veräußerung Teil der Strategie, „nicht zum Kerngeschäft gehörende Aktivitäten dann zu verkaufen, wenn wir den bestmöglichen Wert erzielen können“. Analysten hatten Sirius allerdings mit bis zu 700 Mio. $Euro bewertet.
Immerhin gelang es ABB, mit den Käufern seinen vollständigen Ausstieg aus allen Risiken der Versicherer zu vereinbaren. Häufig müssen sich Verkäufer von Versicherungsfirmen auf lange Haftungsperioden für Altlasten einlassen. Das ist bei ABB nur für sehr kleine Risiken der Fall, die sich auf konzerneigene Versicherungspolicen beziehen.
Ein ABB-Sprecher sagte, der Konzern habe die Verkaufschance ergriffen, denn „das Risikoprofil einer Rückversicherung steht einem Industrieunternehmen wie ABB nicht so gut an“. Schon für das OGP-Geschäft wird ABB mit maximal 975 Mio. $ nicht so viel Geld bekommen wie am Markt erwartet.
Die relativ niedrigen Verkaufserlöse hat ABB-Chef Jürgen Dormann allerdings einkalkuliert. Ihm geht es vor allem darum, reinen Tisch zu machen. Die zum Verkauf stehenden Geschäfte wurden deshalb schon früh als solche genannt und erhielten fortan kaum noch Beachtung.
Banken und Investoren stützen Dormanns Linie.. Nachdem der Konzern Ende 2002 nur knapp der Pleite entgangen war, hatten die Aktionäre erst kürzlich ein milliardenschweres Refinanzierungspaket durchgewunken. Als Risiken bleiben der noch nicht abgeschlossene OGP-Verkauf und der noch nicht endgültig beigelegte Asbest-Rechtsstreit in den USA, in dem noch ein Richterspruch der oberen Instanz aussteht.
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ABB-Chef Jürgen Dormann will die Verkaufsliste bis Ende 2004 vollständig abarbeiten und sich dann von seinem Posten zurückziehen – AP/Keystone, Steffen Schmidt
Quelle: Financial Times Deutschland
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