Von Herbert Fromme, Hannover Die Versicherungsgruppe HDI-Talanx will noch 2004 die Übernahme eines Versicherers in trockene Tücher bringen. „Gespräche mit den Unternehmen und ihren Eignern sind eingeleitet“, sagte Konzernchef Wolf-Dieter Baumgartl im Gespräch mit der FTD. Die Gruppe sucht einen mittelgroßen Schaden- und Unfallversicherer in Deutschland oder Europa und hat drei Zielobjekte ausgemacht.
Konkrete Formen nimmt die Expansion auch in anderen Regionen an. In Brasilien, wo der Konzern eine kleine Gesellschaft mit 70 Mio. Euro Prämien hat, lässt Baumgartl den Kauf einer der zehn größten Gesellschaften prüfen. Das Angebot sei gut. „Ob wir das machen, hängt aber von einer strategischen Grundsatzentscheidung ab“, sagte er. Sie werde rasch fallen. „Wir müssen uns jetzt festlegen, in welchen langfristig wachsenden Markt wir investieren, Asien oder Lateinamerika.“
Die Zukäufe gelten als Voraussetzung für den Börsengang der Talanx, den Baumgartl frühestens für 2005 plant. In den vergangenen zwölf Jahren hat die HDI-Gruppe, die jetzt unter Talanx firmiert, ihr Prämienvolumen auf 16 Mrd. Euro versechsfacht – hauptsächlich durch das rapide Wachstum der Tochter Hannover Rück, weltweit die Nummer vier in der Rückversicherung. Die Gruppe will weiter zulegen, dafür braucht sie frisches Eigenkapital. Die Hannover Rück ist bereits an der Börse. Um Investoren vom Börsengang auch der Talanx zu überzeugen, will Baumgartl deren Erstversicherungsgeschäft stärken.
„Wir haben keine Kapitalnot“, sagte Baumgartl. „Wenn wir aber genauso steil wachsen wie seit 1992, wird es knapp. Dann brauchen wir einen zweiten Schluck aus der Pulle.“ Neben dem Talanx-Börsengang stehe auch der Verkauf von 21 Prozent an der Hannover Rück weiter auf der Tagesordnung.
Aufgabe des Unternehmens sei der weltweite Versicherungsschutz für die Mitglieder, die deutsche Industrie. „Deshalb stehen wir auch unter dem Zwang, international zu arbeiten“, sagte Baumgartl. „Außerdem müssen wir als Rückversicherer aktiv sein, sonst werden wir abhängig von den Rückversicherungsmärkten.“
Als Ausgleich brauche der Konzern Privatkunden. Allerdings kann das auch Geld kosten, wie der Riester-Flop zeigt. „Wir sind da sehr forsch gestartet“, sagte Baumgartl. „Das war eine Fehlentscheidung.“ Eine „glorreiche Allianz aus Opposition und Verbraucherverbänden“ habe das Riester-Modell kaputtgemacht.
Der Konzern sei für die Industrie auch nach dem Umbau als Versicherer attraktiv. Der Industrieversicherungsmarkt sei auf einem hohen Preisniveau. „Die neue operative Industrieversicherungstochter HDI Industrie AG ist ausschließlich marktorientiert“, sagte Baumgartl. „Aber sie hat die Kostenführerschaft und kann deshalb bessere Konditionen als andere bieten.“ Außerdem seien die Kunden Mitglied im Verein HDI VaG, der Konzernobergesellschaft. „Der Verein kann Gewinne an seine Mitglieder ausschütten.“
In der betrieblichen Altersversorgung spielt die Gruppe bisher keine große Rolle. Jetzt will Baumgartl eine Spezial-Vertriebsorganisation aufbauen, auch wenn er diesen Markt eher skeptisch sieht. „Bisher verdient da kaum jemand Geld“, sagte er. Das könne sich allerdings mittelfristig ändern.
Sehr düster sieht er die Probleme mancher Konzerne, die feste Zusagen für Betriebsrenten gegeben haben: „Sie sind eigentlich Lebensversicherer, ohne es zu wissen. Gleichzeitig haben sie die Ausgleichsmechanismen der Lebensversicherer nicht, sie können beispielsweise nicht die Gewinnbeteiligung senken“, warnte Baumgartl. „Vor allem das Alterungsrisiko ist für sie tödlich.“
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Wolf-Dieter Baumgartl ist seit 1993 Chef der HDI-Gruppe, jetzt Talanx – Kai-Uwe Knoth
Quelle: Financial Times Deutschland
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