AIG stellt Konkurrenz in den Schatten

US-Versicherer fährt Rekordgewinn ein · Hohe Messlatte für europäische Rivalen · Sorge um Haftpflichtgesetze

Von Adrian Michaels, New York und Herbert Fromme, Köln Der US-Versicherungskonzern American International Group (AIG) hat mit der Vorlage eines Rekordergebnisses die Messlatte für die europäischen Rivalen sehr hoch gelegt. Der Gewinn nach Steuern erreichte 2003 satte 9,3 Mrd. $ – das sind 68 Prozent mehr als 2002 und der höchste Gewinn der Firmengeschichte. „Wir haben Rekordzahlen in allen vier Geschäftsfeldern erreicht“, sagte der 78-jährige Konzernchef Maurice Greenberg.

Mit den Zahlen für 2003 dürfte Greenberg andere global agierende Versicherungskonzerne wie Allianz, Axa und Generali in den Schatten stellen. Alle drei werden für das abgelaufene Jahr voraussichtlich deutlich niedrigere Gewinne ausweisen und damit für die Finanzmärkte unattraktiver sein als die AIG. So hat die Allianz, die immer noch an den Problemen der Dresdner Bank und ihrer US-Tochter Fireman’s Fund laboriert, in den ersten neun Monaten 2003 nur 421 Mio. Euro verdient. Dabei spielt die 1919 in Shanghai gegründete AIG gemessen an Prämieneinnahmen in derselben Liga. Netto, also nach Abzug der an die Rückversicherer abgegeben Prämienbestandteile, erzielte die AIG 2003 Versicherungsprämien von 74 Mrd. $. Auch bei der Allianz dürften es über 70 Mrd. $ sein.

Die europäische Konkurrenz wird sich genauestens die Quellen der so reichlich sprudelnden AIG-Gewinne ansehen. AIG betreibt die Schaden- und Unfalldeckung, Lebensversicherung, Finanzdienstleistung sowie Asset Management. Der US-Konzern, der in 130 Ländern tätig ist, nutzte offenbar die Phase höherer Preise in der Schaden- und Unfallversicherung besser als die Rivalen. Das Unternehmen musste 2003 von jedem Prämiendollar nur 92,4 (Vorjahr 106) Prozent für Schäden und Kosten ausgeben.

Diese so genannte Schaden-Kostenquote ist damit niedriger als die der wichtigsten Konkurrenten, die für 2003 Werte oberhalb von 95 Prozent voraussagten. In der Schaden- und Unfallversicherung verdiente die AIG daher ausgezeichnet: Das Ergebnis stieg von 667 Mio. $ auf 5,07 Mrd. $.

In der Lebensversicherung betrug der Nettogewinn 6 Mrd. $, nach 4,9 Mrd. $ im Vorjahr. Greenberg will diese Sparte ausbauen und kaufte im September die Edison Life in Japan, die bisher General Electric gehörte. Der hohe AIG-Gewinn in der Lebensversicherung dürfte bei deutschen Versicherern das Nachdenken darüber beflügeln, ob das einheimische Modell mit seinen hohen Garantien für die Kunden heute noch den Anforderungen der Kapitalmärkte entspricht.

Trotz des Jubels über Rekordzahlen ließ Greenberg die potenziellen Probleme seiner Branche vor allem im Heimatmarkt nicht aus. Im vierten Quartal 2002 hatte die AIG einen Verlust melden müssen, weil sie ihre Rückstellungen für Haftpflichtlasten um 1,8 Mrd. $ verstärken musste. Greenberg richtete gestern einen erneuten Appell an die US-Politiker, die notorisch problematischen Regeln für Haftung und Haftungsprozesse zu ändern.

Greenberg sagte, er hoffe zumindest auf eine baldige Änderung der Bestimmungen für die Massenklagen, die so genannten Class Actions. Sie treiben die Kosten für viele Versicherungsschäden immens in die Höhe. Leicht werde es aber nicht, eine Änderung zu erreichen, warnte Greenberg. „Das war schon bisher im Kongress umstritten.“ Noch pessimistischer ist er in Bezug auf Reformen in der Arzthaftung, bei Asbestentschädigungen und Terrorschäden.

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Der 78-jährige AIG-Chef Maurice Greenberg steht seit 1967 an der Spitze des nach Börsenkapitalisierung größten Versicherers der Welt – Bloomberg/Sekoyong Lee

Quelle: Financial Times Deutschland

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